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Anlässlich des
in der Session 2010 zu feiernden 100-jährigen Bestehens der
Aachener Prinzengarde, interviewte "karnevalinaachen.de",
im Oktober 2009,
Resi Goffart und Jennifer Deerberg beim "Frühstücks-Interview im
"Café Van den Daele".
Die Fragen stellten Walburga Schwartz, Birgit Küchen und Helmut
Koch .
Resi Goffart, Sie waren bereits unter Ihrem Mädchennamen Radermacher
als erste Tanzmarie nach dem Krieg für die Prinzengarde aktiv. Seit
wann tanzen Sie?
Resi Goffart:
"In der Session 1949/50 habe ich bei der Prinzengarde mit dem Tanzen
angefangen."
Wie sind Sie
auf die Prinzengarde gestoßen?
Resi Goffart:
"Zusammen mit Karl-Heinz Schmidt war ich Mitglied in einem
Laienspielverein. Eines Tages, auf dem Heimweg, beschwerte ich mich
bei ihm, dass ich eine bestimmte Rolle nicht bekommen hatte.
Daraufhin meinte er, dass ich mich nicht aufregen solle und er eine
ganz andere Rolle für mich hätte, nämlich die des Mariechens der
Prinzengarde. Das war für mich Neuland. Als ich zu Hause davon
erzählte, hieß es von meinen Eltern, dass das nicht in Frage käme.
Das erklärte ich auch Karl-Heinz, der prompt zu mir nach Hause kam
und meinen Eltern den Ablauf darlegte und versprach, dass ich zum
Schutz überall hin begleitet würde. So musste ich mich an einem
Sonntagmorgen Ferdi Franchi und Franz Nobis vorstellen, die allerlei
fragten und schließlich meinten, dass sie ein Stückchen von meinem
Bein sehen möchten. Darüber war ich im ersten Moment ein wenig
schockiert. Doch dann zog ich meinen Rock bis über die Knie. Die
beiden Herren stimmten zu und so leitete man alles in die Wege und
sprach mit der bekannten Tanzlehrerin Frau Renoldi."
Karl-Heinz
Schmidt, Ihr Tanzoffizier, war schon vor dem Krieg als „Marie“
bekannt.
Resi Goffart:
"Richtig. Damals gab es nämlich noch die männliche Marie. So stellte
er die Marie dar und sein Bruder den Tanzoffizier."
Wie lange
haben Sie als Tanzpaar auf der Bühne gestanden?
Resi Goffart:
"Zunächst drei Jahre, danach setzte Karl-Heinz ein Jahr aus.
Schließlich sind wir kurzfristig noch einmal ein weiteres Jahr als
Tanzpaar aufgetreten."
Jennifer
Deerberg, Sie sind die aktuelle Tanzmarie. Wie war das bei Ihnen?
Jennifer
Deerberg:
"1988 bin ich der Kindergruppe der Ersten Großen Brander KG
beigetreten. 1990 wurde ich Kindermariechen, danach Jugendmariechen
und schließlich große Marie. Das Jahr 2003 war meine erste Session
bei der Prinzengarde. Doch ich habe nicht nur in den beiden Vereinen
getanzt. Von 1994 bis 2007 ging ich meinem Hobby auch auf
sportlicher Ebene, beim Bund Deutscher Karneval, nach und nahm
sowohl an den Norddeutschen als auch an den Deutschen
Meisterschaften teil."
Und dies mit
Erfolg?
Jennifer
Deerberg:
"All die Jahre war ich bei den Deutschen Meisterschaften immer unter
den ersten zehn Plätzen, oft auch unter den ersten 5. Bei den
Norddeutschen Meisterschaften war ich sogar Dritte. Vor den
Meisterschaften gibt es Qualifikationsturniere. Hier belegte ich oft
einen der ersten drei Plätze. Im Jahr 2007 hörte ich auf, da ich mir
in der Session einen Kreuzbandriss am linken Bein zugezogen hatte."
Wie sind Sie
zur Prinzengarde gekommen?
Jennifer
Deerberg:
"Bruno Käfer und Josef Esser haben mich eingeladen. Ich war ja
bereits einige Jahre im Karneval bekannt und habe zuvor für die
Brander zweimal in Folge den Ball der Mariechen gewonnen."
Frau Goffart
hatte in ihrer Karnevalskarriere lediglich einen Tanzoffizier. Bei
Ihnen waren es mehrere.
Jennifer
Deerberg:
"In den ersten beiden Sessionen tanzte ich mit Janos Kiss, wobei ich
am Ende der Sessionen ohne ihn aufgetreten bin. Danach war ich zwei
Jahre ohne Tanzoffizier unterwegs. Schließlich wurde Michael Bruder
mein Tanzoffizier, der sich ebenfalls mitten in der Session
verletzte. Sein Nachfolger wurde Dennis Mühlberg, der die Session
durchhielt und aus Zeitgründen aufhörte. 2009 war ich dann wieder
alleine - und in der anstehenden Jubiläumssession tanze ich mit
Elmar Bosold."
Frau Goffart,
warum sind Sie das einzige weibliche Mitglied der Garde?
Resi Goffart:
"Ich weiß es nicht. Das hat Ferdi Franchi damals bestimmt und so
wurde es gemacht. Allerdings vermute ich, dass es daran lag, dass
ich in die Bresche gesprungen bin."
Es gibt auch
den Resi-Goffart-Gedächtnis-Orden. Der einzige Orden, der einer Frau
gewidmet und mit einem Bild versehen ist. Wer erhielt bisher diesen
Orden?
Resi Goffart:
"Den erhielten Abordnungen, Kommandanten oder Gönner, die ihn nach
Meinung der Prinzengarde verdient hatten. Allerdings gab es ihn nur
in geringer Auflage." |
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Normalerweise
ist man nur 3 Jahre Mariechen bei der Prinzengarde. Sie sind jedoch
in der 8. Session dabei. Hat man da noch Lust zu tanzen?
Jennifer
Deerberg:
"Selbstverständlich. Jede Session ist anders und einzigartig, man
erlebt immer etwas Neues. Außerdem wechseln ja auch Prinz und
Hofstaat. So möchte ich keine Session missen."
Resi Goffart:
"Das stimmt. Dies war bei mir nicht anders."
Wie kommt man
als junge Frau mit all den Männern der Prinzengarde klar?
Resi Goffart:
"Ich durfte nirgendwo alleine hin. Josef Nobis war mein ständiger
Begleiter, so dass ich immer unter seiner Kontrolle stand. Er blieb
sogar vor der Toilette stehen. Jedoch nicht zur Kontrolle, sondern
zum Schutz - und das fand ich gut."
Jennifer
Deerberg:
"So ist es heute nicht mehr, aber dennoch werfen die Gardisten ein
wachsames Auge auf mich, so dass ich nie ganz alleine bin. Ich habe
mich zuerst auch gefragt, wie das wohl ohne Frauen sein wird, aber
es ist sehr schön: Jeder kümmert sich um einen und der Zusammenhalt
ist groß."
Wer kommt für
das Kostüm und die Stiefel auf?
Resi Goffart:
"Das Kostüm stellte damals die Garde und die Stiefel zahlten meine
Eltern. Das war ein teurer Spaß."
Jennifer
Deerberg:
"Bei mir ist
es so, dass der Verein die Kosten für das Kostüm, die Stiefel und
das Training übernimmt."
Gibt es für
den Aufwand eine Entschädigung?
Resi Goffart:
"Nein, das machte man aus Freude an der Sache. Hin und wieder gab es
nach einem Auftritt Kleinigkeiten von Geschäftsleuten."
Jennifer
Deerberg:
"Auch ich
mache das aus Liebe zum Verein. Nach einem Auftritt gibt es auch bei
mir oft Präsente wie Pralinen oder Printen oder einen Blumenstrauß,
je nach Budget des jeweiligen Vereins."
Wie waren die
ersten Auftritte nach dem Krieg in Bezug auf Technik, Bühne und
Musik?
Resi Goffart:
"Das
war sehr bescheiden, denn es gab oft nichts. Damals hatte Otto
Schäfer alles auf Band aufgenommen und immer wieder abgespielt.
Musik wie heute gab es nicht."
Damals gab es
nicht viele Säle in Gaststätten.
Resi Goffart:
"Nein. Wo die Möglichkeit bestand, haben wir getanzt. Wir haben
sogar einmal im Bahnhofswartesaal der ersten Klasse auf
zusammengestellten Tischen, die von Gardisten festgehalten werden
mussten, unser Programm durchgezogen und das funktionierte auch. Die
Leute verlangten danach, denn es bestand nach dem Krieg großer
Nachholbedarf . Wir waren im Vergleich zu heute eine äußerst kleine
Gruppe, bestehend aus 11 Gardisten, dem Kommandanten und dem
Tanzpaar. Mit einem Kleinbus und ein oder zwei Privatwagen zogen wir
dann von Auftritt zu Auftritt.
Wenn am Straßenrand eine größere Ansammlung von Menschen war,
hielten wir an und Ferdi Franchi sagte dann: „Da sind viele Leute;
wir halten hier an. Marie raus. Komm, tanz.“ Dann wurden die
Lautsprecher angemacht und auf der Straße, meistens vor dem Theater
oder dem Elisenbrunnen, wurde getanzt."
Wie sieht es
heute mit spontanen Auftritten aus?
Jennifer
Deerberg:
"Ich habe auch
schon auf der Straße getanzt. Jedoch nicht in einem solchen Maße wie
früher, da wir gemeinsam mit dem Prinzen einen Zeitplan einzuhalten
haben. Außerdem habe ich schon ganz spontan im Wohnzimmer bei einem
Geburtstag getanzt, wo sich die Gardisten schützend vor die
Glasvitrinen stellen mussten."
Die Art zu
tanzen war früher anders.
Resi Goffart:
"Der Mariechentanz hatte eine traditionelle Funktion und war eine
Persiflage auf den Militarismus. Das heißt, dieser wurde verulkt.
Wir hatten eigentlich keine Hebefiguren und tanzten mehr als Paar,
manchmal auch alleine. Das Tanzen war jedoch mehr auf Komik
bezogen."
Heute steht
eher die Artistik im Vordergrund. Ist das Element des Verulkens noch
aktuell?
Jennifer
Deerberg:
"Nein, gar nicht mehr. Wir haben zwar noch Paarelemente, aber nicht
so wie es ursprünglich gedacht war."
Resi Goffart:
"In Köln sieht man hin und wieder noch ein paar ursprüngliche
Elemente. In Aachen allerdings gar nicht mehr. Am Anfang gab es
beispielsweise auch keine Degen, sondern Holzstäbe mit bunten
Bändern."
Was hat man
heute für eine Choreographie im Kopf? Nur Show?
Jennifer
Deerberg:
"Die Tendenz geht immer mehr zur Akrobatik über, was schade ist.
Denn die eigentliche Tanzdarbietung und Ausstrahlung der Mariechen
geht verloren Sie touren von einer Bühnenseite zur anderen und es
findet kein Blickkontakt zum Publikum mehr statt. Ich möchte den
Zuschauern das Gefühl geben, dass ich für sie tanze. Zumindest in
den ersten Reihen suche ich den Blickkontakt. Wenn ich alleine
tanze, verwende ich auch viele Elemente der Akrobatik, aber in einem
ausgewogenen Verhältnis. Der Blickkontakt zum Tanzpartner - und
somit das Miteinander - geht auch immer mehr verloren. Denn auch bei
den Männern spielt die Akrobatik eine Rolle."
Resi Goffart:
"Das wäre 1954 nicht möglich gewesen. Ich musste Karl-Heinz den Tanz
neu beibringen, und wenn er stockte, habe ich ihm lächelnd die
Schritte gesagt, ohne dass andere etwas merkten."
Wer sucht die
Musik aus?
Jennifer
Deerberg:
"Das machen wir und stellen diese dem Verein vor. Meistens sind sie
mit unserer Wahl zufrieden. Für diese Session haben wir uns für ein
Potpourri aus traditionellen Märschen entschieden."
Resi Goffart:
"Die Musik unseres Tanzes bestand aus Märschen von de Lamboy. Dazu
gehörte auch das „Hurra Tsching bumm“. Als wir damals an
einem Wettbewerb in Münster teilnahmen, fehlten dem Orchester einige
Noten von unserem Tanz . Wir sollten aber tanzen. Schließlich
entschieden wir uns für „Wien bleibt Wien“ und so stellten wir,
Franz Thouet, Karl-Heinz und ich, über die Mittagszeit unseren Tanz
um und gewannen gegen Köln, Münster und Düsseldorf."
Wie sieht es
mit dem Training aus?
Resi Goffart:
"Ich
trainierte zweimal pro Woche für die Garde und tagsüber ging ich
arbeiten."
Jennifer
Deerberg:
"Ich trainiere auch zweimal pro Woche nur für die Prinzengarde und
darüber hinaus um des Tanzens willen. Tanzen ist meine große
Leidenschaft, so dass ich neben der Schule, dem Studium und der
Arbeit immer wieder meinem Hobby nachgehe. Wenn ich nicht mehr
auftrete, dann tanze ich, um das Erlernte weiterzugeben."
Gab es noch
ein besonderes Erlebnis?
Resi Goffart:
"Damals kam ein Journalist von der „Badischen Illustrierten“ nach
Aachen um etwas über Karneval und die Tanzmariechen zu erfahren. Ein
Aachener zeigte ihm das Oecher Karnevalsleben und so stieß er auch
zur Prinzengarde. Schließlich stellte er Mariechen diverser
Karnevalshochburgen sowohl privat als auch beruflich und im
karnevalistischen Leben vor. Die Leser stimmten darüber ab, wer auf
die Titelseite der „Badischen Illustrierten“ abgebildet werden
sollte. Dabei habe ich gewonnen."
Wir trafen Resi Goffart und Jennifer Deerberg bei van den Daele ,
im Traditionshaus "Van den Daele".
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