Zwei Generationen Tanzmariechen der Prinzengarde
   
 

Resi Goffart,
Tanzmarie der Prinzengarde von 1949 bis 1954

und

Jennifer Deerberg,
Tanzmarie der Prinzengarde von 2003 bis 2012
Im Jahr 2012 zum Ehrenmitglied der Garde ernannt

 

------------------------------------------------------------------------------------------------

Anlässlich des in der Session 2010 zu feiernden 100-jährigen Bestehens der Aachener Prinzengarde, interviewte "karnevalinaachen.de", im Oktober 2009, Resi Goffart und Jennifer Deerberg beim "Frühstücks-Interview im "Café Van den Daele".
Die Fragen stellten Walburga Schwartz, Birgit Küchen und Helmut Koch .


Resi Goffart, Sie waren bereits unter Ihrem Mädchennamen Radermacher als erste Tanzmarie nach dem Krieg für die Prinzengarde aktiv. Seit wann tanzen Sie?

Resi Goffart: "In der Session 1949/50 habe ich bei der Prinzengarde mit dem Tanzen angefangen."

Wie sind Sie auf die Prinzengarde gestoßen?

Resi Goffart: "Zusammen mit Karl-Heinz Schmidt war ich Mitglied in einem Laienspielverein. Eines Tages, auf dem Heimweg, beschwerte ich mich bei ihm, dass ich eine bestimmte Rolle nicht bekommen hatte. Daraufhin meinte er, dass ich mich nicht aufregen solle und er eine ganz andere Rolle für mich hätte, nämlich die des Mariechens der Prinzengarde. Das war für mich Neuland. Als ich zu Hause davon erzählte, hieß es von meinen Eltern, dass das nicht in Frage käme. Das erklärte ich auch Karl-Heinz, der prompt zu mir nach Hause kam und meinen Eltern den Ablauf darlegte und versprach, dass ich zum Schutz überall hin begleitet würde. So musste ich mich an einem Sonntagmorgen Ferdi Franchi und Franz Nobis vorstellen, die allerlei fragten und schließlich meinten, dass sie ein Stückchen von meinem Bein sehen möchten. Darüber war ich im ersten Moment ein wenig schockiert. Doch dann zog ich meinen Rock bis über die Knie. Die beiden Herren stimmten zu und so leitete man alles in die Wege und sprach mit der bekannten Tanzlehrerin Frau Renoldi."

Karl-Heinz Schmidt, Ihr Tanzoffizier, war schon vor dem Krieg als „Marie“ bekannt.

Resi Goffart: "Richtig. Damals gab es nämlich noch die männliche Marie. So stellte er die Marie dar und sein Bruder den Tanzoffizier."

Wie lange haben Sie als Tanzpaar auf der Bühne gestanden?

Resi Goffart: "Zunächst drei Jahre, danach setzte Karl-Heinz ein Jahr aus. Schließlich sind wir kurzfristig noch einmal ein weiteres Jahr als Tanzpaar aufgetreten."

Jennifer Deerberg, Sie sind die aktuelle Tanzmarie. Wie war das bei Ihnen?

Jennifer Deerberg: "1988 bin ich der Kindergruppe der Ersten Großen Brander KG beigetreten. 1990 wurde ich Kindermariechen, danach Jugendmariechen und schließlich große Marie. Das Jahr 2003 war meine erste Session bei der Prinzengarde. Doch ich habe nicht nur in den beiden Vereinen getanzt. Von 1994 bis 2007 ging ich meinem Hobby auch  auf sportlicher Ebene, beim Bund Deutscher Karneval, nach und nahm sowohl an den Norddeutschen als auch an den Deutschen Meisterschaften teil."

Und dies mit Erfolg?

Jennifer Deerberg: "All die Jahre war ich bei den Deutschen Meisterschaften immer unter den ersten zehn Plätzen, oft auch unter den ersten 5. Bei den Norddeutschen Meisterschaften war ich sogar Dritte. Vor den Meisterschaften gibt es Qualifikationsturniere. Hier belegte ich oft einen der ersten drei Plätze. Im Jahr 2007 hörte ich auf, da ich mir in der Session einen Kreuzbandriss am linken Bein zugezogen hatte."

Wie sind Sie zur Prinzengarde gekommen?

Jennifer Deerberg: "Bruno Käfer und Josef Esser haben mich eingeladen. Ich war ja bereits einige Jahre im Karneval bekannt und habe zuvor für die Brander zweimal in Folge den Ball der Mariechen gewonnen."

Frau Goffart hatte in ihrer Karnevalskarriere lediglich einen Tanzoffizier. Bei Ihnen waren es mehrere.

Jennifer Deerberg: "In den ersten beiden Sessionen tanzte ich mit Janos Kiss, wobei ich am Ende der Sessionen ohne ihn aufgetreten bin. Danach war ich zwei Jahre ohne Tanzoffizier unterwegs. Schließlich wurde Michael Bruder mein Tanzoffizier, der sich ebenfalls mitten in der Session verletzte. Sein Nachfolger wurde Dennis Mühlberg, der die Session durchhielt und aus Zeitgründen aufhörte. 2009 war ich dann wieder alleine - und in der anstehenden Jubiläumssession tanze ich mit Elmar Bosold."

Frau Goffart, warum sind Sie das einzige weibliche Mitglied der Garde?

Resi Goffart: "Ich weiß es nicht. Das hat Ferdi Franchi damals bestimmt und so wurde es gemacht. Allerdings vermute ich, dass es daran lag, dass ich in die Bresche gesprungen bin."

Es gibt auch den Resi-Goffart-Gedächtnis-Orden. Der einzige Orden, der einer Frau gewidmet und mit einem Bild versehen ist. Wer erhielt bisher diesen Orden?

Resi Goffart: "Den erhielten Abordnungen, Kommandanten oder Gönner, die ihn nach Meinung der Prinzengarde verdient hatten. Allerdings gab es ihn nur in geringer Auflage."

 

Normalerweise ist man nur 3 Jahre Mariechen bei der Prinzengarde. Sie sind jedoch in der 8. Session dabei. Hat man da noch Lust zu tanzen?

Jennifer Deerberg: "Selbstverständlich. Jede Session ist anders und einzigartig, man erlebt immer etwas Neues. Außerdem wechseln ja auch Prinz und Hofstaat. So möchte ich keine Session missen."

Resi Goffart: "Das stimmt. Dies war bei mir nicht anders."

Wie kommt man als junge Frau mit all den Männern der Prinzengarde klar?

Resi Goffart: "Ich durfte nirgendwo alleine hin. Josef Nobis war mein ständiger Begleiter, so dass ich immer unter seiner Kontrolle stand. Er blieb sogar vor der Toilette stehen. Jedoch nicht zur Kontrolle, sondern zum Schutz - und das fand ich gut."

Jennifer Deerberg: "So ist es heute nicht mehr, aber dennoch werfen die Gardisten ein wachsames Auge auf mich, so dass ich nie ganz alleine bin. Ich habe mich zuerst auch gefragt, wie das wohl ohne Frauen sein wird, aber es ist sehr schön: Jeder kümmert sich um einen und der Zusammenhalt ist groß."

Wer kommt für das Kostüm und die Stiefel auf?

Resi Goffart: "Das Kostüm stellte damals die Garde und die Stiefel zahlten meine Eltern. Das war ein teurer Spaß."

Jennifer Deerberg: "Bei mir ist es so, dass der Verein die Kosten für das Kostüm, die Stiefel und das Training übernimmt."

Gibt es für den Aufwand eine Entschädigung?

Resi Goffart: "Nein, das machte man aus Freude an der Sache. Hin und wieder gab es nach einem Auftritt Kleinigkeiten von Geschäftsleuten."

Jennifer Deerberg: "Auch ich mache das aus Liebe zum Verein. Nach einem Auftritt gibt es auch bei mir oft Präsente wie Pralinen oder Printen oder einen Blumenstrauß, je nach Budget des jeweiligen Vereins."

Wie waren die ersten Auftritte nach dem Krieg in Bezug auf Technik, Bühne und Musik?

Resi Goffart: "Das war sehr bescheiden, denn es gab oft nichts. Damals hatte Otto Schäfer alles auf Band aufgenommen und immer wieder abgespielt. Musik wie heute gab es nicht."

Damals gab es nicht viele Säle in Gaststätten.

Resi Goffart: "Nein. Wo die Möglichkeit bestand, haben wir getanzt. Wir haben sogar einmal im Bahnhofswartesaal der ersten Klasse auf zusammengestellten Tischen, die von Gardisten festgehalten werden mussten, unser Programm durchgezogen und das funktionierte auch. Die Leute verlangten danach, denn es bestand nach dem Krieg großer Nachholbedarf . Wir waren im Vergleich zu heute eine äußerst kleine Gruppe, bestehend aus 11 Gardisten, dem Kommandanten und dem Tanzpaar. Mit einem Kleinbus und ein oder zwei Privatwagen zogen wir dann von Auftritt zu Auftritt.
Wenn am Straßenrand eine größere Ansammlung von Menschen war, hielten wir an und Ferdi Franchi sagte dann: „Da sind viele Leute; wir halten hier an. Marie raus. Komm, tanz.“ Dann wurden die Lautsprecher angemacht und auf der Straße, meistens vor dem Theater oder dem Elisenbrunnen, wurde getanzt."

Wie sieht es heute mit spontanen Auftritten aus?

Jennifer Deerberg: "Ich habe auch schon auf der Straße getanzt. Jedoch nicht in einem solchen Maße wie früher, da wir gemeinsam mit dem Prinzen einen Zeitplan einzuhalten haben. Außerdem habe ich schon ganz spontan im Wohnzimmer bei einem Geburtstag getanzt, wo sich die Gardisten schützend vor die Glasvitrinen stellen mussten."

Die Art zu tanzen war früher anders.

Resi Goffart: "Der Mariechentanz hatte eine traditionelle Funktion und war eine Persiflage auf den Militarismus. Das heißt, dieser wurde verulkt. Wir hatten eigentlich keine Hebefiguren und tanzten mehr als Paar, manchmal auch alleine. Das Tanzen war jedoch mehr auf Komik bezogen."

Heute steht eher die Artistik im Vordergrund. Ist das Element des Verulkens noch aktuell?

Jennifer Deerberg: "Nein, gar nicht mehr. Wir haben zwar noch Paarelemente, aber nicht so wie es ursprünglich gedacht war."

Resi Goffart: "In Köln sieht man hin und wieder noch ein paar ursprüngliche Elemente. In Aachen allerdings gar nicht mehr. Am Anfang gab es beispielsweise auch keine Degen, sondern Holzstäbe mit bunten Bändern."

Was hat man heute für eine Choreographie im Kopf? Nur Show?

Jennifer Deerberg: "Die Tendenz geht immer mehr zur Akrobatik über, was schade ist. Denn die eigentliche Tanzdarbietung und Ausstrahlung der Mariechen geht verloren Sie touren von einer Bühnenseite zur anderen und es findet kein Blickkontakt zum Publikum mehr statt. Ich möchte den Zuschauern das Gefühl geben, dass ich für sie tanze. Zumindest in den ersten Reihen suche ich den Blickkontakt. Wenn ich alleine tanze, verwende ich auch viele Elemente der Akrobatik, aber in einem ausgewogenen Verhältnis. Der Blickkontakt zum Tanzpartner - und somit das Miteinander - geht auch immer mehr verloren. Denn auch bei den Männern spielt die Akrobatik eine Rolle."

Resi Goffart: "Das wäre 1954 nicht möglich gewesen. Ich musste Karl-Heinz den Tanz neu beibringen, und wenn er stockte, habe ich ihm lächelnd die Schritte gesagt, ohne dass andere etwas merkten." 

Wer sucht die Musik aus?

Jennifer Deerberg: "Das machen wir und stellen diese dem Verein vor. Meistens sind sie mit unserer Wahl zufrieden. Für diese Session haben wir uns für ein Potpourri aus traditionellen Märschen entschieden."

Resi Goffart: "Die Musik unseres Tanzes bestand aus Märschen von de Lamboy. Dazu gehörte auch das Hurra Tsching bumm“. Als wir damals an einem Wettbewerb in Münster teilnahmen, fehlten dem Orchester einige Noten von unserem Tanz . Wir sollten aber tanzen. Schließlich entschieden wir uns für „Wien bleibt Wien“ und so stellten wir, Franz Thouet, Karl-Heinz und ich, über die Mittagszeit unseren Tanz um und gewannen gegen Köln, Münster und Düsseldorf."

Wie sieht es mit dem Training aus?

Resi Goffart: "Ich trainierte zweimal pro Woche für die Garde und tagsüber ging ich arbeiten."

Jennifer Deerberg: "Ich trainiere auch zweimal pro Woche nur für die Prinzengarde und darüber hinaus um des Tanzens willen. Tanzen ist meine große Leidenschaft, so dass ich neben der Schule, dem Studium und der Arbeit immer wieder meinem Hobby nachgehe. Wenn ich nicht mehr auftrete, dann  tanze ich, um das Erlernte weiterzugeben."  

Gab es noch ein besonderes Erlebnis?

Resi Goffart: "Damals kam ein Journalist von der „Badischen Illustrierten“ nach Aachen um etwas über Karneval und die Tanzmariechen zu erfahren. Ein Aachener zeigte ihm das Oecher Karnevalsleben und so stieß er auch zur Prinzengarde. Schließlich stellte er Mariechen diverser Karnevalshochburgen sowohl privat als auch beruflich und im karnevalistischen Leben vor. Die Leser stimmten darüber ab, wer auf die Titelseite der „Badischen Illustrierten“ abgebildet werden sollte. Dabei habe ich gewonnen."


Wir trafen Resi Goffart und Jennifer Deerberg bei van den Daele , im Traditionshaus "Van den Daele".