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Am Rosenmontag 1927 in Erp (bei Köln) geboren, nach einer
Karriere als Solotänzer in Köln, 25 Jahre Ballettmeister in Aachen,
feiert Peter Schnitzler in diesem Jahr, wieder an einem Rosenmontag,
seinen 80. Geburtstag. Von Jaques Königstein entdeckt, war
Peter Schnitzler auch im Aachener Karneval ein bekannte Größe. Er
gilt als der Erfinder der Hebefiguren beim Mariechentanz. In Köln
wurde er in diesem Jahr mit Ehrungen überhäuft.
"karnevalinaachen.de"
gratuliert auf diesem Wege, in der Gewissheit, dies auch
stellvertretend für viele Aachener Karnevalisten zu tun.
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Wir fragten Peter Schnitzler:
Stationen einer langen Karriere
Mein Vater war
Landwirt und begeisterter Karnevalist. Ich wurde am Rosenmontag
geboren und meine Mutter zeigte mich den vorbeiziehenden
Karnevalisten aus dem Fenster. Wenn man mich für Stunden
beschäftigen wollte durfte ich mit den Karnevalskleidern, die meine
Mutter in einer Truhe aufbewahrte, spielen. Ich war dann in dieses
Spiel versunken und zog so nach und nach alle diese Sachen an.
Als ich nach dem Krieg zurück kam lernte ich meine spätere Frau,
Hilde, kennen.
Hilde war Schauspielerin. Ich hatte im Kriegsgefangenenlager ein
halbes Jahr Theater gespielt. Wie man so sagt hatte ich da bereits
„Blut“ geleckt. Man kommt dann nicht mehr vom Theater ab.
Aus der Bekanntschaft mit Hilde wurde dann Liebe. Ein Jahr später
bekam sie ein Engagement in Frankfurt und ich habe sie gebeten dem
Direktor Bilder von mir zu zeigen und ihn zu fragen, ob er mich
brauchen kann.
Es handelte sich um eine Wanderbühne aus Bad Nauheim. Ich wurde dann
zu einem Vorsprechen eingeladen. Ich sprach vor und wurde als
Schauspieleleve, mit Umbauverpflichtung und kaufmännischen Arbeiten,
für 150,- Mark und 75,- Mark Spesen engagiert. So ging ich ans
Theater. Leider konnte ich dort nichts lernen. Wir sind dann zurück
in unser Dorf nach Erp gegangen weil wir körperlich auch sehr
mitgenommen waren. Wir hatten Wandermarken und konnten uns nur
selten etwas zu Essen kaufen. Zu Hause angekommen, sagte mein Vater:
„Jetzt es et uss met dr Dollheijt!“ Daraus entwickelte sich ein
heftiger Streit. Ich sagte ihm er habe mich unter falschen
Versprechungen gelockt und mir den Besuch einer Schauspielschule
versprochen. Er brüllte mich an und sagte: „Deine Leidenschaft ist
doch nicht die Schauspielerei, deine Leidenschaft ist das Tanzen,
dann werde doch Tanzlehrer!“
Wir haben dann auf Umwegen versucht eine Schule zu finden. Mein
Vater ist dann sogar mit mir zu diesen Schulen gegangen und ich
wurde schließlich Tanzlehrer.
Wo war ihre
erste Station nach der Ausbildung zum Tanzlehrer?
Nach meiner
Bühnentanz-Ausbildung war meine erste Station die Kölner Oper.
Damals gab es Sommerseminare für Tänzer. Es kamen Tänzer aus ganz
Deutschland zusammen, man holte sich die besten Lehrer und
Choreographen und es gab 14 Tage Unterricht. Da man noch keine
geeigneten Räume hatte, fanden diese Veranstaltungen im Jugendhof in
Steinbach, in der Eifel, statt. Beim Abschlussabend war der
Ballettmeister der Kölner Oper anwesend und meine Lehrerin sagte,
sie habe einen begabten Schüler, der nun aber ins Engagement müsse
und fragte, ob man für mich Verwendung habe.
Ich wurde für den folgenden Montag zur Oper eingeladen. Man sagte
mir, man hebe zwar keine Vakanz aber ich solle täglich in Köln
trainieren. Ich durfte dann für 5,- Mark Statit sein und bekam für
die Probe 2,50 Mark. Das hebe ich dann sofort gemacht.
Ich bin bei „Julius Caesar“ mit der Lanze über die Bühne gegangen,
habe vor Herodes den Teppich ausgerollt, alles für 5 Mark!
Und dann, man soll es nicht glauben, ein Monat später war eine
Vakanz da! Mein erstes Engagement war dann 1950 an der Kölner Oper
als junger Tänzer.
„Sue hät et anjefange“
Dann gab es
eine Begebenheit, ein Schlüsselerlebnis, welches zuerst ein Mann
namens Jaques Königstein im Theatersaal hatte, und dann Sie, in der
Garderobe hatten. Sie wurden für Aachen entdeckt!
Als
ich in Köln bereits erster Solotänzer war stand plötzlich, als ich
mich gerade für den zweiten Akt eintrainierte, Jaques Königstein im
Ballettsaal und sagte: „Herr Schnitzler ich möchte Sie nach Aachen
verpflichten!“
Dann bin ich zu einer Gala nach Aachen gekommen zur
Textilingenieurschule, zum „Wollfaden“. Dort hat mich ein Orchester
begleitet unter Leitung von Kapellmeister Herbert Bock vom Theater.
Herr Bock sagte, sie können doch mal nach Aachen kommen. Worauf ich
ihm sagte, dass ich erster Solotänzer in Köln bin und mir Aachen
dies doch sicher nicht bieten könne. Nein sagte er nicht als Tänzer,
sondern als Ballettmeister solle ich nach Aachen kommen.
Und hier kommt das Schicksal ins Spiel.
Bei der Veranstaltung im Wollfaden tanzte das Aachener Ballett unter
der Ballettmeisterin Carla Balzer. Ich lernte Frau Balzer bei dieser
Gelegenheit kennen und einige Tage später verunglückte sie auf der
Bühne.
Ich machte dann in Vertretung die Tänze für die „Verkaufte Braut“
Und man muss auch Glück im Leben haben. Ich fand ein gutes Ballett
vor. In der Premiere hat mir dann der Intendant Paul Mundorf den
Vertrag angeboten. Daraus wurden dann 25 Jahre in Aachen.
Ich war dann 1958 in Köln weiterhin erster Solotänzer und
kommissarisch in Aachen Ballettmeister. Beides zusammen habe ich ein
Jahr gemacht. Ab 1959 war ich fest angestellt in Aachen als
Ballettmeister.
25 Jahre
Ballettmeister in Aachen. Was hat diese Zeit für Sie persönlich und
für Ihr künstlerisches Schaffen bedeutet?
Ich
habe hier in Aachen Dinge machen müssen aber auch machen können, die
ich an der Kölner Oper niemals hätte machen können! Ein Beispiel: In
Köln spielte man nur klassische Operette, in Aachen spielte man auch
moderne, oder wenn man so will, auch „Revue-Operetten. Ich habe auch
unter Mundorf das erste Musical gemacht. Darin habe ich auch eine
Rolle gespielt, es war „Kiss me Kate“ von Cole Porter. Das war 1965,
eine tolle Sache.
Vor allen Dingen war der Intendant Mundorf ein cleverer Theatermann
er kam vom Thalia-Theater in Hamburg. Er hatte schnell gerochen was
ich „für en Doll“ bin. Er sagte: „Schnitzler, machen Sie in jeder
Operette schönes Ballett, damit das Publikum hin und weg ist.“
Man hat mir in Aachen große Freiheiten gelassen. Ich konnte
künstlerisch frei entscheiden, was in Köln so nicht war.
Ist man als
Künstler gut beraten, wenn man die erste verantwortungsvolle Stelle
in der Provinz sucht?
Absolut!! Ich habe es später erlebt, wenn junge Menschen sofort an
ein großes Theater kamen. Sie hatten keine Erfahrung. Die Provinz
ist der beste Lehrmeister. Ich habe das hier in Aachen selbst
erfahren und hier meine Erfahrungen gesammelt. Aachen war für mich
absolut richtig. Mein Kölner Ballettmeister hatte mir gesagt, ich
solle nach Aachen gehen, dort sei ein gutes Theater und ich solle
hier alles was ich mache gut machen.
Manche Leute sagen mir: „Ja sie waren 25 Jahre in Aachen, da hatten
Sie Ihre Pfründe!“
Aber es ist nicht so, 25 Jahre an einem Theater, wo der Kritiker,
z.B. Alfred Beaujean, sie über den langen Zeitraum begleitet, das
zwingt zur Kreativität. Da können sie nicht 1960 den Zigeunerbaron
machen und 1966 das gleiche wieder, das bemerkt der Herr Beaujan.
Das lässt sie sehr Produktiv werden.
Am Rosenmontag
geboren, muss etwas besonderes sein, wie es ja auch in einem
Karnevalslied besungen wird. In diesem Jahr begehen Sie Ihren 80.
Geburtstag, wieder ist es ein Rosenmontag. Ist Ihnen der Karneval in
die Wiege gelegt worden oder wie kamen Sie zum Karneval?
Mein Vater war ein echter Fastelovendsjeck, jahrelang Präsident. Wir
hatten, wie es damals so üblich war ein „gutes Zimmer“, das
Wohnzimmer, da trafen sich die Jecken und machten ihre Reden. Die
Vorbereitungen begannen schon ein halbes Jahr vor Karneval. Man kann
sagen, in meinem Elternhaus war der Karneval „zu Hause“.
Theater,
Ballett, Kunst und Karneval sind das verschiedene Welten? Wie kann
man diesen Bogen spannen?
Das
sind nicht unbedingt verschieden Welten, es sind verwandte Welten.
Wir haben auch hier in Aachen am Theater eine Operette gemacht,
„Karneval in Rom“. Da war es gut, dass ich Karneval kannte. Es sind
Welten, die verwandt sind. Ich habe die Karnevalstänze mit der
gleichen Professionalität gemacht wie den künstlerischen Tanz.
“Ob ich jetzt den „Feuervogel“ choreographiere von Stravinsky oder
„Ritsch, ratsch de Botz kapott“ von de rote Funke, dat es für mich
dat selbe!“
Karneval ist auch Theater, das muss auch inszeniert sein.
Wann hatten
Sie zum ersten Mal Kontakt mit dem Aachener Karneval?
Das war
im Jahr 1959, da war Hubert Nadenau Prinz Karneval und Jaques
Königstein wünschte sich, dass bei der Proklamation von Hubert
Nadenau das Ballett einen Walzer tanzt.
Sie sind stark
engagiert im Kölner Karneval, hier lassen Sie „Vorstände“
(Ehrengarde) tanzen, was hat Kölner Karneval, was Aachen Karneval
nicht hat?Zum
Beispiel das es möglich ist Kölner Vorstände tanzen zu lassen. Der
Aachener Karneval hat auch Dinge, die der Kölner Karneval nicht hat.
Beide haben ihre eigene Linie.
Ist in
Ihren Augen der Karneval noch zeitgemäß?
Hilde Schnitzler: „Vieles im Karneval ist beliebig geworden, man
kann vieles was geboten wird zu jeder Zeit bringen. Der Aachener
Karneval macht doch noch einiges mit Kräften aus eigenen Reihen.“
Man sagt, Sie hätten den Karneval wesentlich
beeinflusst? Wie ist das zu verstehen?
Als wir in den fünfziger Jahren anfingen Karnevalstänze
einzustudieren, haben wir als Erste angefangen den Tanzpaaren
Hebefiguren beizubringen, denn bis dahin bestanden die Tänze nur aus
"Hacke-Spitze-Wechselschritt. Einige "Battements" und verschiedenen
Drehungen. 1958 tanzte das Kölner Opernballett auf der
Prinzenproklamation in der messehalle 8, und ich trug damals die
Ballettmeisterin durch die lange Halle bis zur Bühne. In dem
nachfolgenden Tanz waren mehrere große Hebefiguren eingebaut. Das
machte über Nacht Schule und von nun an wurden die Mariechen auf die
Bühne getragen. Zu Ihrer Frage muß ich noch sagen, dass ich das
Schrittmaterial für unsere Tänze größtenteils aus der Folklore
(Ungarn, Italien, Rußland und Südamerika) nehme.
Was macht
Peter Schnitzler an den tollen Tagen?
Ja,
…, nun muss ich Ihnen das sagen.
Das Festkomitee des Kölner Karnevals hat einmal nachgedacht und
gesagt: „Der hat über 50 Jahre für uns gearbeitet, jetzt ihm etwas
besonderes tun!“ Deshalb hat man mir diese Karnevals-Matinee gemacht
mit dem Motto „Ein Leben für den Tanz – Peter Schnitzler“.
Da ist der Vizepräsident des Festkomitees, Christoph Kuckelkorn, zu
mir gekommen und hat mir gesagt, dass man mir anlässlich meines
achtzigsten Geburtstages am kommenden Rosenmontag etwas Besonderes
tun möchte. Ich soll im Rosenmontagszug auf dem wagen mitfahren. Ob
wir das machen werden, das wissen wir noch nicht weil das für uns
nicht nur eine Ehre, sondern auch eine Strapaze ist.
Wenn Sie mich aber jetzt fragen, was wir sonst an Karneval gemacht
haben, kann ich Ihnen sagen, dass wir seit 10 Jahren am Rosenmontag
in die Aula Carolina zum Kommandantur-Frühstück gegangen sind.
Gibt es für
Sie ein Highlight im Aachener Karneval?
Zu
meiner Schande muss ich gestehen, dass ich in dieser Session,
bedingt durch die vielen Ehrungen in Köln, noch nichts im Aachener
Karneval gesehen. Den Kommandanturtanz der Penn werde ich am beim
Seniorenkarneval im Eurogress sehen.
In früheren Jahren war für mich das absolute Highlight im Öcher
Fastelovend Gitta Haller.
Wenn die die Ritter ansagte, das war Sensationell. Gitta war und ist
immer noch eine Kanone.
Sehr gut ist auch Hubert Crott, sehr beliebt auch in Köln mit
„Josef, Jupp und Jüppchen“
Mit welcher
Persönlichkeit würden Sie sich gerne über Aachener Karneval
unterhalten?
Mit Jürgen Becker!
Wir trafen Peter Schnitzler bei van den
Daele , im Traditionshaus
"Alt Aachener Kaffeestuben".
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