Heini Mercks

Jahrgang: 1931                 geboren in:  Aachen
Familienstand:                  verheiratet   
Beruf:                             Marktmeister i.R.

Aachener Mariannen-Institut geboren,
aufgewachsen in der Königstraße

 

 

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Ein Leben für den Karneval   zur Diaschau ...
 
"karnevalinaachen.de" fragte Heini Mercks:    


Heini Mercks, wann und wo bist Du geboren?

„Ich wurde 1931 im Aachener Mariannen-Institut geboren und bin aufgewachsen in der Königstraße.
Damals wurden ja noch Kinder geboren. Die meisten Frauen bekamen jedes Jahr ein Kind. Ich bin, wie man so sagt, ein Ur-Oecher.“


Königstraße 25, das war eine Wohnanlage, in der viele Familien lebten.

„Das war eine ehemalige Weberei, in der jetzt Wohnungen für ca. 60 Familien waren. Das Haus gehörte der Familie Burggraf, den Eltern von Leni Bruggraf, die das Gebäude gekauft und zu Wohnungen umgebaut hatten. Bei 60 Familien, mit im Schnitt 6 oder 8 Kinder, kann man sich leicht vorstellen, was da auf engstem Raum los war. Die Leni war die jüngste Tochter der Familie Burggraf und hat damals Weltreisen gemacht. Leni wollte mir immer das Gitarrenspiel beibringen. Das hätte ich auch gerne gemacht, aber dann hörte ich die Kinder Völkerball spielen und dann war meine Geduld am Ende. Heute tut es mir leid, denn Leni war wirklich eine gute Gitarristin.“


In dieser Zeit, Du warst damals ungefähr acht Jahre alt, hast Du die ersten Erfahrungen mit dem Karneval gemacht?

„Meine Mutter war eine Vollblut-Karnevalistin. Karneval war für meine Mutter etwas ganz Besonderes. Das ganze Jahr über war sie eine biedere Hausfrau mit Schürze an, aber wenn dann Karneval war, dann war sie nicht zu halten. Und weil ich nicht nur von vier Geschwistern der Jüngste war, sondern auch den meisten Mutterwitz mitbekommen hatte, war ihr Augenmerk auf mich gerichtet und sie brachte mir einige kleine Vorträge bei. Und da man damals zum Karnevalfeiern in der Wirtschaft kein Geld hatte, wurde in der Wohnanlage in der Königstraße, in der Waschküche Karneval gefeiert. Hier wurden dann richtige Karnevals-Sitzungen organisiert. Sogar, als der Karneval von den Nazis verboten wurde, wurde hier noch kräftig gefeiert. Vor dem Tor zur Wohnanlage wurde ein Posten aufgestellt, der „Schmiere“ stand und uns warnte, wenn die Polizei kam. Der Posten wurde jede Stunde abgewechselt.
Eines Tages, ich weiß nicht, ob uns jemand angezeigt hatte, kam die Polizei. Der „aue Jansen“, das war der Organisator, hatte uns gesagt, dass wir für den Fall, das jemand kommt, die Hütchen und Pappnasen sofort in den Waschkessel werfen sollten.
Als die Polizei dann zur Tür rein kam, sangen wir „Kein schöner Land in unserer Zeit…“. Ein Liederabend war ja nicht verboten! So haben wir uns über die Runden gerettet.
Aber später, als es dann mit den Bombenagriffen los ging und in vielen Familien einer vermisst oder tot war, „doe haue vüür jenge Senn mieh vör Karneval!“


Wann ging es mit dem Karneval wieder los?

Im Januar 946 war die erste Karnevalsveranstaltung in der Talbot-Halle in der Schinkelstraße. Da waren dann die Männer der ersten Stunde, Jupp Reulen, Leo Rosen und Pit Bauendahl, der gerade aus Gefangenschaft gekommen war. Der Eintritt kostete 5 Reichsmark, soviel Geld hatte jeder. Damals bezahlte man 15 Mark für eine Zigarette. Aber mein Problem war ein anderes. Es war damals sehr kalt und wenn man zu der Karnevalsveranstaltung wollte, musste man „ne Klütt“, einen Brikett, mitbringen. Än däe Klütt hau ich net!“ Meine Mutter sagte, ich habe ein „Knäppchen“ Holz
(ein Stück), dann nimmst Du das mit! Ich stand dann in der Schlange und dachte darüber nach, was jetzt wohl passiert. Als ich dann an der Reihe war sagte der Mann: „Wo es däe Klütt?“ Ich sagte: „Ich han jenge Klütt wal ene Knapp Holz!“ da rief der: “Pitt, Pitt, nemme vüür ouch Holz?“ Die Antwort lautete: „Loss em mär ereen!“ Mir fiel ein Stein vom Herzen.
Die Leute hatten Nachholbedarf und es war eine wunderschöne Sitzung.
Da gab es das Liedchen: „ Wenn de ouch jeng Zemmerdöre has, än jeng Ruute en de Jlaserkass, mach dich mär dorövver jeä Leäd, denn dat es dr janze Beddel, janze Beddel, janze Beddel net weäd!“


Jetzt hattest Du diese Veranstaltung dort erlebt, Dich dann aber auch recht schnell im Karneval „nützlich“ gemacht.

Ja, ich habe dann Kontakte aufgenommen, in erster Linie mit Pit Bauendahl. Es war ja alles ausgebombt und die Leute lebten in den Hochbunkern. Man fuhr dann mit einem Auto mit Holzvergaser von Bunker zu Bunker und hielt die karnevalistischen Vorträge. Das waren immer tolle Erfolge, weil die Leute Spaß hatten. Ich hatte die Große Ehre, die zusammenklappbare Bühne tragen zu dürfen. Das war was ganz Besonderes.
Im Bunker an der Kongressstraße passierte eines Tages bei einem solchen Auftritt etwas ganz Außergewöhnliches. Pit Bauendahl hatte auf Bezugsschein einen Fischgrät-Mantel bekommen, damals eine wertvolle Seltenheit. Während er vorne auf der Bühne seinen Vortrag hielt, hatte man ihm im hinteren Teil des Bunkers den tollen Mantel geklaut. „Doe woer dr Bunker ze kleng! Deä Pit deä hat jescholde, ühr Räubere, ühr Bandite, ühr Spetzbouve ühr hat mich dr Mantel jeklaut! Dat woer noch schönner wie die janze Büttenrede! Spieder hant vüür dorövver döcks noch jelaaht! Wenn se dich doemoels dr Mantel klauete, dat es esue wie wenn dich hü et Huus avbrennt!“


Bei Kommer, in Aachen-Forst, gab es zu dieser Zeit auch schon Karnevalsveranstaltungen.

"Da war ja die Kaserne mit den belgischen Soldaten und dort saßen die „Belgier-Liebchen“ mit ihren
Verehrern. Es waren auch viele Belgier aus der hiesigen Grenzgegend dabei, die verstanden unser Platt auch ganz gut.
Ich hatte dort die Aufgabe, mit dem Hut zu sammeln. Da flogen dann Zigaretten hinein, Geld, die Reichsmark war ja zu dieser Zeit nichts mehr wert. Für Kommer waren diese Auftritte auch ganz schön, der hatte dann ein Programm für seine Gäste.


Es blieb aber nicht bei Deinen ersten Erfahrungen als Bühnenarbeiter und Beobachter der Szene, es kam die Stunde der Wahrheit, Heini musste selbst in die Bütt!

Das war noch etwas später. Zunächst muss man sagen, der Karneval hatte einen anderen Stellenwert als heute. Die Karnevalisten, Jupp Reulen, Jean Jülliker, Willi Rosen, Pit Bauendahl, Jupp Brammertz waren so prominent wie heute Fußballstars. Sie waren die Säulen des vortragenden Karnevals. Später vergrößerte sich dieses Potential. Als ich im Jahr 1960 anfing, hatte ein Freund von mir, Franz Jansen, Mitglied der Börjerwehr, uns die Karten besorgt für eine Veranstaltung im Walfisch (ehemaliges Restaurant in der Pontstraße). Dort gab es ein kleines Sälchen. Das Programm war nicht sehr berauschend und als mich Franz in der Pause fragt, wie ich denn das Programm finde, sagte ich „Wat die könne, kann ich ouch!“ darauf sagte Franz: „Du Mullejan, noeh de Paus hant vüür e Louch en et Projramm, da köns Du!“ Provisorisch bekam ich ein Hütchen und eine Pappnase an und ab ging es auf die Bühne! Es folgte die erste Büttenrede meines Lebens.
Nach dem Vortrag kam ein Mann zu mir, den ich damals nicht kannte. Es war Hans Hahn, ein alter Journalist. Er sagte mir: „ Das war ja jetzt nichts Besonderes, aber mach nur weiter, du hast Talent!“
Von diesem Tag an hat mich Hans Hahn immer unterstützt und mir gute Ratschläge gegeben.
Bis zum heutigen Tag habe ich bei all meinen Büttenreden nie ein Manuskript gehabt. Ich hatte immer einen roten Faden und habe dann von der Improvisation und der Situationskomik gelebt, die sich im Saal ergab.
Mit meinen ersten Büttenreden könnte man heute nicht viel werden, denn die Ansprüche von damals und heute lassen sich nicht vergleichen.

Im Walfisch startete Deine Karriere und mit und mit wurden es immer mehr Auftritte.

Ja, das ging los in Altersheimen, da lagen dann 6 oder 8 alte Damen im Bett und lauschten meinem Vortrag, oder bei Geburtstagsfeiern mit relativ wenigen Zuhörern. Bei diesen Aktionen habe ich meine ersten Erfahrungen gemacht und ich glaube, dass sind auch die Stufen, die jeder Vortragende durchlaufen sollte. Man kann nicht gleich als Neuling im Eurogress auftreten. Man muss sein Handwerk von der Picke auf erlernen, nur so erlangt man Erfahrung und Sicherheit. Als ich dann nach Jahren den „Durchbruch“ hatte und bei der Penn und der Prinzengarde auftrat, da schrieb die Presse von mir als dem „Senkrechtstarter“ aber ich war ja schon seit Jahren aktiv, die Presse kannte mich nur noch nicht.
Ich hatte angefangen mit Heinz Preim. Damals hatten wir in Aachen ca. 15 Büttenredner, Heinz Krasborn, Schönbrod, Bauendahl, Martin Kern, Hermann-Josef Rosen, Pit Jürgens, Leo Götzenich, Resi Ehlen und Anni Bosseler. Es war ja so, dass diese Akteure nicht unbedingt auf uns warteten. Wir hatten es uns angesichts dieser Konkurrenz nicht leicht, uns zu behaupten.

Bei den Büttenreden war zwar viel erlaubt, aber nicht alles gern gesehen. Besonders bei der Penn, aber auch in ausgeprägter Weise bei Jacques Königstein galt die Losung
„Zotenfrei die Narretei!“


Der Begriff „Zote“ ist weit dehnbar und relativ. Bringt man einen Witz vor Spießbürgern, sagen diese vielleicht „ … nein, das geht zu weit!“, während andere Zuhörer von einem guten Witz sprechen.
Bei den Anfängen war alles noch puritanischer. Ich sagte mal auf der Bühne „Leck mich am Arsch“. In Aachen ein Ausdruck höchster Verwunderung oder auch Anerkennung. Wer aber diese Redewendung in unserer Sprache und ihre Bedeutung sowie die Oecher Mentalität nicht kennt, der ist entrüstet.
Später wurde vieles freier, auch in den Illustrierten mit ihren veröffentlichten Witzen, da musste man sich als Büttenredner anpassen. Wenn man heute im Fernsehen sieht, was dort gezeigt wird, das hätte man sich damals nicht vorstellen können.

Was war denn Dein lustigster Auftritt?

Im Quellenhof bei den Karlsschützen kam ich zum Auftritt dort an und man sagte mir, ich müsse noch ein wenig warten, es sei noch eine Nummer vor mir dran. Ich wartete und als die Ansage kam:“ Jetzt kommt ein echter Oecher, geboren in Aachen, ein Oecher Urgestein!“, ging ich in den Saal und gleichzeitig erschien auf der Bühne Pit Bauendahl. Die Leute hatten Ihren Spaß und mir war das ein wenig peinlich.


Das peinlichste Erlebnis …

hatte ich bei einem AKV-Herrenabend. Beim AKV gab es während der Sitzung etwas Diskussionen, weil jemand Prinz werden wollte, der schon einmal Prinz war. Es war sehr unruhig im Saal und es spielte damals noch die EBV-Kapelle. Ich redete und redete und hoffte auf einen Tusch. Der Dirigent war aber nicht gut drauf und es kam kein Tusch. Ich bin mach dem Auftritt nach Hause gefahren und war überzeugt, dass das mein letzter Auftritt war.
Eine Woche später war die Sitzung der Prinzengarde. Das Programm der Prinzengarde hatte Danny Goffart gemacht. Als er mich kurz vorher anrief, war ich von dem Auftritt beim AKV noch so frustriert, dass ich bei der Garde absagen wollte. Danny hat mir dann aber wieder Mut gemacht und die Sache bei der Prinzengarde war ein Bombenerfolg. Die Rede war die gleiche wie beim AKV. Da habe ich gelernt, wie wichtig das Publikum ist. Wenn die andere Probleme haben, kommt die Rede im Saal nicht an.


Du hast Dich auch in der Büttenrednerschule engagiert.

In Holland gab es schon Büttenrednerschulen und nach diesem Vorbild wurde auch in Aachen diese Schule gegründet. Zunächst gab es vier Klassen mit jeweils einem Betreuer. Helmut Strack hat sich maßgeblich für die Büttenrednerschule eingesetzt. Betreuer waren Pit Bauendahl, Hein Preim, Hubert Crott und ich. Die Schüler konnten sich ihre Lehrer wählen. Hubert und ich hatten die meisten Schüler. Leider hatten die Schüler nicht viel Talent, aber ausgesprochen präzise Vorstellungen über die Gagen, die sie bei ihren künftigen Auftritten fordern wollten. Ich habe in der Büttenrednerschule nur ein Jahr mitgemacht.

Du hast im Karneval auch besondere Auszeichnungen bekommen. Zum Beispiel warst Du der erste „Toupet-Träger“ der Figaros.

Die Figaros hatten sich kaum gegründet und gleich die Idee, ein Ehren-Toupet zu vergeben. Man hatte mich auch als Auftretenden verpflichtet und wahrscheinlich haben die gedacht, dass ich so eine schöne Glatze habe und sind dann auf die Idee gekommen mir das erste „Ehren-Toupet“ zu verleihen. Mittlerweile gibt es 25 Toupet-Träger.
Ich habe die „Jupp-Schollen-Plakette“ der Oecher Börjerwehr als erster Preisträger bekommen und zwar auf Vorschlag von Jupp Schollen persönlich. Als ich dann schließlich die Plakette überreicht bekam, war Jupp zwischenzeitlich verstorben.
Die Königsteinkette vom AKV habe ich auch bekommen. „Die haue ouch minge Nam verkiet ejraviert, met MERX! Ich schreib mich aber Mercks!“
Den Barbara-Jansen-Orden habe ich bekommen und schließlich auch noch den Rheinlandtaler des Landschaftsverbandes.

Was sagst Du als ein Karnevalist, der den Öcher Karneval seit der Stunde „Null“ mitgemacht hat, zum modernen Karneval unserer Zeit?

Der Karneval hat sich natürlich gewandelt und er ist nicht eine heile Insel in unserer Gesellschaft, sondern ein Teil dieser Gesellschaft. Er wird von Menschen organisiert und veranstaltet und so, wie sich die Menschen und die Gesellschaft ändern, so ändert sich auch der Karneval. Es gibt Menschen, die sagen, der Büttenredner sei eine aussterbende Art. Für mich ist die Büttenrede immer noch der Speck in der karnevalistischen Suppe. Ich kann mir keine Veranstaltung ohne zwei oder drei Büttenredner vorstellen.

Der Karneval hat im Rheinland eine lange Tradition und auch die Funktion, die Obrigkeit zu necken und in närrischer Weise auf die Schippe zu nehmen. Hast Du dies auch in Deinen Vorträgen getan?

Ich habe das gemacht und auch Erfahrungen damit gemacht und bin nie zimperlich gewesen. Ich habe Schreiben von Anwälten, einstweilige Verfügungen und Morddrohungen bekommen. In Mainz hat Herbert Bonewitz einmal gesagt, „Bei uns kann jeder Humor vertragen, solange es ihn nicht betrifft!“
Die Akten habe ich noch alle verwahrt und ich hatte nie besondere Nachteile aber es hat diese Einschüchterungsversuche immer gegeben.

„Sauerteig mit Rosinen“ ein Buch von Heini Mercks.

In diesem Buch beschreibe ich auch Erlebnisse meiner Kindheit. Ich bin in der Königstraße in bitterer Armut aufgewachsen. Mein Vater war 1937 früh gestorben und meine Mutter war nahezu blind und allein erziehend. Wir lebten von der Witwen- und Waisenrente, das war zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel. Als Junge habe ich im Sommer schon beim Bauer gearbeitet, wo ich in Naturalien bezahlt wurde. Im Winter habe ich die Bürgersteige für 15 Pfennige vom Schnee befreit und den Streudienst übernommen. In der Königstraße waren wir von den Armen noch die Ärmsten, weil wir den Vater nicht mehr hatten. Meine Mutter war eine humorvolle Frau und sagte immer, wenn man die Verhältnisse, in denen wir leben mussten, überstehen will, braucht man viel Humor. Diese Weisheit habe ich mir zu Herzen genommen. In dem Buch spielt natürlich auch der Karneval eine große Rolle.

Was wünscht Heini Mercks dem Aachener Karneval?

Dem Karneval wünsche ich, dass er sich weiter entwickelt aber auch, dass man die Ursprünge nicht vergisst. Tradition sollte man bewahren. Auch wünsche ich mir, dass es unter den Leuten, die Verantwortung tragen, mehr Leute gibt mit Ahnung vom Karneval. Karneval kommt aus dem Volke und kann nicht von oben regiert werden. Karneval kommt spontan aus der Seele der Menschen. Wenn sich die richtigen Leute mit den richtigen Eigenschaften finden, habe ich keine Sorge um den Karneval.



Wir trafen Heini Mercks bei van den Daele , im Traditionshaus "Alt Aachener Kaffeestuben".