Matthias (Mattschö) Stevens

Jahrgang 1924, gest. 05.08.2006,
ehem. Bühnenbildner beim
Stadttheater Aachen,
Multitalent, verheiratet, zwei Kinder

(Interview vom 26.05.2006)

 

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Wir fragten Mattschö Stevens:

Welchen Stellenwert hat für Sie Karneval?

"Karneval hat für mich einen großen Stellenwert, weil in dieser Zeit viel gelacht wird. Und Lachen gehört zum Leben. Lachen hat etwas Befreiendes. Ich zitiere gerne die Heilige St. Anna: „Bringt die Leute zum Lachen!“

 

Wann hatten Sie zum ersten Mal Kontakt mit dem Aachener Karneval?

"Ach du lieber Gott, da war ich noch Kind. Meine Mutter backte früher zu Karneval immer Puffel. Ich weiß noch, dass ich bereits 1928 - also mit vier Jahren - immer als August aufgetreten bin - später dann als Cowboy. Als August hatte ich ein Köfferchen dabei, da waren die Puffel drin, die ich immer mitnahm."
 

Sie schauen auf viele Jahre des karnevalistischen Geschehens zurück. Wie feierten unsere Mütter und Väter den Karneval in Aachen?

"Mein Vater - zum Beispiel - war ein lustiger und lebensfroher Mann, der sich mit seinem Schwager immer kostümierten, ohne vorher hierfür etwas zu kaufen. So zogen Sie zu Karneval los und hatten ihre Freude, ganz zum Leidwesen meiner Mutter. Ich kann mich noch gut erinnern: Ich hatte damals ein Schaukelpferd mit Kufen und Rädern, und mein Vater hatte sich im Gesicht weiß geschminkt, warf sich weiße Betttücher um. Mein Vater saß auf meinem Schaukelpferd und mein Onkel zog ihn. Mein Onkel hatte sich schwarz gekleidet, er war dann Vaters Diener. Und meine Mutter und ich gingen auf der anderen Straßenseite. Sie wollte nicht erkennen lassen, dass wir zu diesen Jecken gehörten. Sie ging ja auch nur mit, damit das Schaukelpferd anschließend wieder zurückkam. Mein Vater und mein Onkel banden das Pferd dann immer an einer Laterne fest, gingen in die Kneipe und tranken sich dann ihre Bierchen, und dann zogen sie weiter. Das Schaukelpferd habe ich danach nie mehr gesehen. Das war auch dann mein erster Kontakt zum Aachener Reitturnier!"
 

Als Ur-Karnevalist mit vielen guten Ideen kreieren Sie jährlich das Motto des Märchenprinzen und auch viele Aachener Orden. Woher kommt die enorme Kreativität, immer etwas Neues zu entwerfen?

"Ich hoffe, dass es immer etwas Neues ist -  und dass es jung und neu bleibt! Jedenfalls gebe ich mir Mühe. Ich arbeite daran."

 

Nicht nur im Karneval haben Sie im wahrsten Sinne des Wortes Zeichen gesetzt. Sie waren auch an andere Stelle für das kulturelle Geschehen in unserer Stadt tätig. Hat das etwas damit zu tun, dass Sie sich auch heute noch im Karneval kreativ betätigen?

"Kreativität ist mein Beruf. Wer am Theater nicht kreativ und aufgeschlossen ist, der hat seinen Beruf verfehlt. Und den Ideenreichtum, den das Theater in sich hat, kann ich doch locker auch auf den Karneval übertragen."

 

Von der „großen Bühne“ zur Puppenbühne „Öcher Schängche“. Was will beziehungsweise kann uns dieses Puppentheater heute noch sagen?

"Das Puppentheater - so denke ich - soll die Jugend an das Theater heran führen. So kann sich das Gedankengut der Jugendlichen entwickeln. Viele Leute sagen, sie können die Stücke beim Öcher Schängche nicht verstehen, weil zuviel Aachener Dialekt (Öcher Platt) gesprochen wird. Das stimmt so nicht. Man merkt es an den Reaktionen der Kinder. Die Kinder haben meistens das Stück eher begriffen, als die meisten Erwachsenen. Zum „Verstehen“ spielt das Visuelle und die Ausstattung eine ganz große Rolle. Die kindliche Seele löst sich, sie wird durch Lachen befreit."

 

Mit Ihren Bühnenbildern haben Sie in künstlerische Weise ein reduziertes Abbild der Wirklichkeit geschaffen. Sie bescheren dem Geschehen auf der Bühne den Hintergrund. Mit den früheren Mottowagen im Karneval wurde auch das Geschehen dargestellt und zugleich zur kritischen Auseinandersetzung damit aufgerufen. Fehlen dem Karneval heute dieser kritische und zugleich kreative Aspekt? Vermissen Sie das?

"Unbedingt! Es ist heute aber jedem klar, dass es finanziell nicht mehr machbar ist. Heute ist es mit dem Etat, den der Aachener Karneval zur Verfügung steht, nicht mehr machbar. Heute fehlen auch die Leute, die sich um die Mottowagen kümmern wollen. Aber ich denke, die würde man heute wieder finden. Damals hatte Helmut Crous die Idee, einen „Wagenteam“ zu installieren. In dieser Gruppe wurden zwei Journalisten und vier Grafiker beziehungsweise Maler berufen. Heute bin ich noch der einzige Überlebende."

 

Ist in Ihren Augen der Karneval noch zeitgemäß?

"Mehr denn je! Wenn ich das „Lachen“ als die Spitze der karnevalistischen Übungen setze, brauchen die Menschen heute das Lachen mehr als zu jeder anderen Zeit."

 

Ist uns der Karneval zwar lieb aber zu teuer?

"Wieso zu teuer? Man kann doch mit wenig Aufwand sich selbst und anderen eine Freude machen."

 

Wie sehen Sie die Zukunft des Karnevals in Aachen?

"Die Zukunft ist gut. Ich sehe es ja auch daran, wie viele Karnevalsvereine sich in der letzten Zeit gegründet haben. Die etablierten Vereine lassen die Hoffnung zu, dass der Karneval immer bestehen bleibt. Jedenfalls wäre dies mein Wunsch. Und was ich dafür tun kann, bin ich auch bereit zu tun."

 

Gibt es für Sie einen Lieblingsplatz im Karneval?

"Ich habe die meisten und schönsten Erinnerungen an die Kinder, die am Rathaus den Rosenmontagszug sehen. Da schaue ich heute noch den Rosenmontagszug. Und ich schaue dann die Freude der Kinder."

 

Welche Veranstaltung würden Sie einem karnevalistischen Anfänger empfehlen?

"Die Prinzenproklamation des Märchenprinzen im Eurogress."

 

Mit welcher Persönlichkeit würden Sie sich gerne über Karneval unterhalten?

"Mit den Persönlichkeiten, die mir am Herzen liegen, die auch den Karneval produzieren, und die für mich maßgeblich sind, brauche ich nicht über Karneval zu sprechen. Das habe ich schon getan. Gerne hätte ich mich mit Franz Baumann und Erich Stephany noch mal über Karneval unterhalten wollen, doch leider sind sie bereits verstorben."

 

Gibt es auch etwas, was Ihnen am Karneval nicht gefällt?

Mir missfallen die Sitte und der Brauch, vor dem Karneval zu fliehen. Mit gefallen die Menschen nicht, die sich bewusst gegen den Karneval stellen.

 

Wenn Sie im Karneval das Sagen hätten, was würden Sie ändern?

"Das Wetter kann ich nicht ändern. Es soll nur nicht zu kalt und auch nicht zu heiß sein."

 

Was erwarten Sie von einem Karnevalsportal im Internet?

"Ich gehöre zwar nicht zu den Menschen, die ihr Wissen aus dem Internet schöpfen. Ein Karnevalsportal soll das Brauchtum erklären. Es könnten ja auch ein paar gute Witze zu lesen sein, die die Leute zum Lachen bringen."

 

Wir trafen Mattschö Stevens bei van den Daele , im Traditionshaus "Alt Aachener Kaffeestuben".