Helmut Schultz

geb.: 1928 in Aachen, verh.
Prinz Karneval von Aachen 1955,
seit 1948 AKV-Mitglied
Beruf: Kaufmann, Rentner

 

 

 

Wir fragten Helmut Schultz:

Wann und in welchem Zusammenhang hattest Du zum ersten Mal Kontakt mit dem Aachener Karneval?

Das war 1948 als der AKV durch Jaques Königstein seine ersten Nachkriegsaktivitäten startete und neue Leute gesucht wurden. Der Elferrat bestand damals schon teilweise und man suchte neue Ehrenhüte. Mein Onkel Mattschö hatte Kontakt zu Königstein und sagte zu mir: "Jong du weäds Ehrenhut!" Dann hat er mir noch vom Schneider Hufschmied einen Frack machen lassen. Der Stoff hat damals viel Geld gekostet. So war ich Ehrenhut.

Die Ehrenhüte, die es auch heute noch gibt, waren die jungen Herren, die für den Elferrat kleine Dienstleistungen, u.a. Saal- und Türdienst zu erbringen hatten.


1948 warst Du ja schon 20 Jahre alt. Was war denn in den Jahren davor, was gab es in der Kriegszeit an Karnevalsveranstaltungen?

Garnichts, da war ja Krieg. Im Jahr 1939 war die letzte Karnevalsveranstaltung und da hat der AKV in Ermangelung von Orden Gutscheine ausgegeben für einen Orden nach dem Krieg.
 

Helmut, Du warst 1955 Prinz Karneval. 10 Jahre nach dem Krieg, hatte man damals nicht noch andere Sorgen.
Zu dieser Zeit war es schon nichts Besonderes mehr, denn 1949 war ja schon der erste Rosenmontagszug durch die Straßen gezogen. Die Leute standen, wie man auf alten Fotos sehen kann, auf den Trümmern. Die Wagen wurden nicht von Autos, sondern von Pferden gezogen. Die Begeisterung der Bevölkerung war bedingt durch den Nachholbedarf sehr groß.
 

Als damaliger Narrenherrscher hast Du auch schon grenzüberschreitend gedacht.

Das war die Zollaktion. Unser Gefolge, das aus sieben Herren bestand, hat dann diese Aktion erdacht. Damals musste man alles, was man aus Holland oder Belgien einführte, beim Grenzübertritt verzollen. Ein Hofstaatmitglied hat dann über die Zolldirektion in Köln erreicht, dass wir hier in Aachen zwei maßgebliche Herren verhaften konnten. Die haben wir dann mit Hilfe der Prinzengarde, die mit großem Aufgebot aufmarschiert war, im Hauptzollamt am Hauptbahnhof verhaftet. Wir führten die Leute in Ketten ab und fuhren mit ihnen per Tram nach Vaalserquartier.   Ein Delinquent war der Hauptsekretär Rübsaat, der andere Name fällt mir gerade nicht mehr ein. Wir sind dann durch die Stadt mit der modernsten Straßenbahn und dem ältesten Wagen nach Vaalserquartier gefahren. Wir hatten noch den Karnevalisten Pit Bauendahl   dabei. Die Aktion wurde einige Tage vorher
in der Aachener Presse als geheime Kommandosache angekündigt. Nur wenige Leute hatten genau Kenntnis über unser Vorhaben.

In Vaalserquartier angekommen haben wir dann zuerst die deutschen Zollbeamten in eine Arrestzelle gesperrt und dann sind wir rüber auf die holländische Seite gegangen und haben auch diese Zöllner verhaftet. Natürlich waren alle Beamten von ihren Vorgesetzten informiert damit es nicht zu einer Schießerei kommt. Die saßen nun bei Bier, Wacholder und einem Brötchen in der Arrestzelle.

Da im Karneval alles mit der Zahl 11 zu tun hat, haben wir dann für 11 Minuten die Schlagbäume geöffnet und den Verkehr passieren lassen.   Die Passanten die über Grenze kamen mussten dann ihre Taschen öffnen, die Damen mussten den Prinz küssen und durften dann passieren.  Die Männer mussten 11 Pfennig Zoll bezahlen. Nach offiziell 11 Minuten, es konnte aber auch eine halbe Stunde gewesen sein, da war die Aktion vorbei, wir sind wieder nach Aachen gefahren und haben weiter die prinzlichen Termine wahrgenommen.

 

Wie feierte man damals, 1955, den Karneval?

Es bestand ein ungeheuer großer Nachholbedarf. Am Elisenbrunnen zogen junge und alte Leute in 50-ziger Reihen singend und schunkelnd über die Straße. Da gab es ja auch kaum Autos, du konntest auf allen Plätzen ungestört feiern. Auch in den Sälen wurde gefeiert.

Es gab damals nur einige Säle, das alte Kurhaus, das neue Kurhaus, Forsthaus Siegel und Linzenshäuschen. Alle Säle waren voll. Die Begeisterung war so groß wenn man dort als Prinz einmarschierte, dann brauchte man auch keine Lieder zu singen, da begrüßte man die Leute, sagte: "Ich freu mich dass ihr alle da seid!" und dann rief man "Oche Alaaf".

Da amüsierten sich die Leute noch selbst.

 

Heute machen die Prinzen so etwas wie eine "Minishow", wie findest Du dies?

Früher hat das Volk sich selbst unterhalten, geschunkelt und Lieder gesungen. Heute sagen die Menschen , " ... ich habe Eintritt bezahl, jetzt bietet mir was!" Da muss eine Schau besser werden als die andere. Das liegt auch am Fernsehen. Früher wurde im Radio Karnevalslieder gespielt und gesungen. Die Eintrittspreise lagen damals bei 2,- DM, heute bei 20,- €, ein Bier kostete 50 Pfennig. Die Akteure hatten damals auch andere Preise als heute.

 

Karneval unterliegt einem Wandel. Es gibt neue Formen der Veranstaltung besonders für das jüngere Publikum. Geht durch diese Entwicklung der Brauchtumscharacter des Karnevals verloren?

Durch die Vielzahl der Veranstaltungen entsteht eine Art "Überproduktion". Du kommst heute manchmal in Säle, da ist der Vereinsvorstand zahlreicher vertreten als die Gäste.
Junge Leute an den Karneval heranführen wird immer schwerer. Damals war das Angebot an Vergnügungen nicht so zahlreich. Hinzu kommt, dass heute die Sache immer teurer wird. Damals konnte man am Fettdonnerstag, beim Volkskarneval, zwischen beiden Kurhäusern, altes Kurhaus und neues Kurhaus hin und her wandern und zahlte nur einmal den Eintritt.

 

Wie siehst Du die Zukunft des Karnevals in Aachen?

Die Medien haben einen großen Einfluss. Früher wurden zwei Sitzungen übertragen, heute 30. Die Leute bekommen den Karneval ins Haus geliefert. Dann sind sie übersättigt und hinzu kommt, dass man nicht das bieten kann was das Fernsehen bietet.

 

Welche Veranstaltung würdest Du einem karnevalistischen Anfänger empfehlen?
Ich würde mir generell einen Verein aussuchen, der noch volksnah feiert, wo man sich eine Pappnase aufsetzt und nicht im schwarzen Anzug erscheinen muss. Karneval beim Öcher Schängchen wäre zum Beispiel eine solche Veranstaltung. Natürlich gehört zum Öcher Karneval auch Öcher Platt.

Wenn ich nicht so eingebunden wäre in den Karneval würde ich kaum zu fünf oder sechs Veranstaltungen gehen. AKV, Prinzengarde, Penn und Börjerwehr das wären die Veranstaltungen, die ich besuchen würde.

 

Wenn Du im Karneval das Sagen hättest, was würden Du ändern?
Es gibt 55 Vereine in Aachen und denen würde ich empfehlen mehr gemeinsam zu machen und vielleicht nur 10 Sitzungen anzubieten.

 

Deinem Verein, dem AKV, dienst Du in verschiedenen Funktionen.
Seit 1948 bin ich Mitglied im AKV. Zunächst als Ehrenhut bis 1957 also bis 2 Jahre nach meiner Zeit als Prinz Karneval und dann aus beruflichen Gründen habe ich mich bis 1972 etwas zurückgehalten und bin dann ins Prinzengefolge bei Herbert Stracke mit der Figur als Notar berufen worden. In dieser Zeit habe ich dann auch meine jetzige Frau, meine liebe Elfriede, kennen und lieben gelernt. Ab da habe ich wieder fast alle AKV-Veranstaltungen besucht. In den 80-ziger Jahren bin ich häufig angesprochen worden in den Elferat zu gehen was ich aber auch hier aus beruflichen Gründen nicht konnte. 1987 bat mich Alfred Wellen nochmals und ich wurde in den Elferrat gewählt. Nach 5 Jahren wurde der Beirat innerhalb des Elferrates gegründet und seit dem war ich beim AKV in der Abteilung "Getuma" - "Geh mal, tu, mach mal !"
Ich bin vom AKV oft geehrt worden und ich glaube, es gibt kaum einen Orden, den der AKV zu verlieh, den ich nicht bekommen habe.
Vor zwei Jahren, mit dem 77. Lebensjahr habe ich mich zurückgezogen, hatte aber schon 3 Jahre vorher meinen jetzigen Nachfolger, Willy Kick, in meine Arbeitsbereiche eingearbeitet. Heute kümmere ich mich nur noch um den Weinberg des AKV und mache einige Archivarbeiten.
 

Seit 1979 hat der AKV auch einen Weinberg. Kann man sagen Helmut Schultz ist der Winzer des AKV?
Ja, was man so Winzer nennen kann. Ich kümmere mich um die Pflege des AKV-Weinberges. Diese Aufgabe habe ich von Hubert Nadenau übernommen. Die Pflege haben früher Angestellte des Stadtgartenamtes erledigt, heute machen das zwei Rentner.
 

Was geschieht mit dem guten Tropfen, dem ÖCHER HEUSCHRECK?

Der gute Tropfen hat den Namen "Öcher Heuschreck Durchbruch". Diesen Namen hat der Ordensritter Walter Scheel geprägt. "Öcher" steht für Aachen, "Heuschreck" ist der Name des Trierer Karnevalsvereins, der dem AKV damals 111 Rebstöcke schenkte.
Im Stadtgarten auf dem Wingertsberg stehen heute aber nur 99 Rebstöcke, weil ein Weinberg mit 100 Rebstöcken vom Fiskus als "gewerblich" betrieben eingestuft wird.

 

 

Wir trafen Helmut Schultz bei van den Daele , im Traditionshaus "Alt Aachener Kaffeestuben".