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Biggi Fahnenschreiber und Peter Schnitzler
- Tanz hat ihr Leben bestimmt -

   
 

  Copyright:

Foto: Helmut Koch

   
 

Für Biggi Fahnenschreiber und Peter Schnitzler ist Tanz nicht nur Beruf, sondern auch Berufung und Lebensinhalt. Beide waren Ballettmeister, haben zusammen in Aachen am Stadttheater getanzt, beide trainieren seit Jahren Tanzpaare und Tanzgruppen für den Karneval und sind auch heute, im Alter von mehr als 80 Jahren, als Tanzpädagogen aktiv.
karneval
inaachen.de durfte einen unterhaltsamen Nachmittag mit den ehemaligen Tänzern des Aachener Stadttheaters in Köln, ihrem heutigen Wohn- und Wirkungsort verbringen.

 

 

 

Biggi Fahnenschreiber ist ein echtes "Kölsches Mädchen". Darauf ist sie stolz und legt Wert darauf, im Severinsklösterchen das Licht der Welt erblickt zu haben und zur ersten Heiligen Kommunion in St. Aposteln gegangen zu sein. 1939 startete sie bei den Bühnen der Stadt Köln im Kinderballett ihre tänzerische Karriere. Nach dem Krieg legte sie in Düsseldorf vor dem dortigen Ausschuss ihre Prüfung ab. Ihr Schwerpunkt war das klassische Ballett.Zunächst führte sie ihr beruflicher Weg über Köln nach Freiburg, wo Biggi Fahnenschreiber als erste Solotänzerin tanzte. Mit Peter Schnitzler, dem damaligen Aachener Ballettmeister, arbeitete sie intensiv als erste Solotänzerin, auch als Solotanzpaar, am Stadttheater Aachen.

Peter Schnitzler ist am Rosenmontag 1927 in Erp (bei Köln) geboren. Zunächst war er  Solotänzer in Köln, kam dann als Ballettmeister nach Aachen, wo er mit Biggi Fahnenschreiber das Theaterpublikum als Solotanzpaar begeisterte. Von Jaques Königstein entdeckt, war  Peter Schnitzler auch im Aachener Karneval eine bekannte Größe. Er gilt als der Erfinder der Hebefiguren beim Mariechentanz. Heute wohnt er mit seiner Frau Hilde in Köln, arbeitet immer noch mit Tänzern im Karneval und ist, wie Biggi Fahnenschreiber, der Kölner Karnevalsszene verbunden.

karnevalinaachen.de fragte:

In Aachen hatten Sie gemeinsam große Erfolge. Wie fanden Sie zusammen? Und wie kam es zu dieser, ein ganzes Leben begleitenden Zusammenarbeit?


Fahnenschreiber:  "
Von 1947 bis 1950 war ich Tanzelevin an der Kölner Oper und wurde bei der Ballettschule Anita Bell ausgebildet. Seit 1945 kannte ich Peter Schnitzler. Es war von Anfang an ein besonderes Erlebnis, mit ihm zu tanzen. Es stimmte einfach alles, wir brauchten uns nur anzusehen und schon klappte jeder Tanz. Allerdings haben wir uns immer an der gleichen Stelle vertan. Es war nicht so, dass sich der Eine oder Andere mal vertan hatte, uns passierte an der gleichen Stelle immer gemeinsam der gleiche Fehler. Es war eine wunderbare Zeit und wir haben viel neben dem Theater getingelt, wobei wir Gelegenheit hatten, eigene Choreografien, inspiriert von Hilde Schnitzler, auszuprobieren. Unsere Tänze hatten immer einen roten Faden, einen Inhalt, so wie ein kleines Schauspiel. Dies hat uns beiden sehr gefallen. Der damalige Ballettmeister ging nach Freiburg und fragte mich ein Jahr später, ob ich zu ihm nach Freiburg als erste Solotänzerin kommen möchte. Das war natürlich das, was man sich als Tänzerin wünscht. Es war aber auch ein wenig traurig, weil ich meinen bisherigen Tanzpartner verlor."

Schnitzler: "Der damalige Aachener Generalintendant Paul Mundorf bot mir 1959 einen Vertrag als Ballettmeister in Aachen an. Ich habe Brigitte gesagt "Du gehörst zurück ins Rheinland!" Sie kam dann auch nach Aachen und wurde erste Solotänzerin. Auf diese Weise fanden wir wieder zusammen und sie blieb drei Jahre.

Fahnenschreiber: "Ich heiratete und bekam einen Sohn, der heute Jurist und Direktor am Staatstheater in Kassel ist. Als mein Sohn 6 Jahre alt war, habe ich mit Kinderballett angefangen und Karnevalstänze choreographiert, was zur damaligen Zeit als Frau in Köln nicht so einfach war. Ich habe zunächst im Umfeld von Köln, Bonn, Pulheim, bis hin nach Euskirchen gearbeitet. In Leverkusen hatte ich eine Tanzgruppe und kam mit dieser nach Köln. Hier hatte ich das Glück, Ballettmeisterin zu werden. Im Karneval betreute ich Anfang der siebziger Jahre sehr viele Tanzgruppen. „Die Luftflotte“ trainiere ich zum Beispiel jetzt im 38. Jahr.“

Schnitzler: „Das ist schon was, wenn man nicht ein oder zwei Jahre gut ist, sondern über Jahre und Jahrzehnte durchhält. Ich habe 50 Jahre (1958-2007) die Choreografie für „Cäcila Wolkenburg“ im Opernhaus gemacht. Mir sagte mal Jemand "Hier in Köln hast Du ja auch Deine Pfründe!" Ich habe ihm gesagt: „Wenn Du keine Ideen mehr hast und nicht ständig kreativ bist, ist sehr bald Schluss, da helfen auch keine Pfründe!“

Wie hat sich denn der Tanz im Karneval entwickelt?

Fahnenschreiber: „Im Karneval hat sich in all den Jahren sehr viel getan. Es ist kein karnevalistisches Tanzen mehr, heute präsentiert man überwiegend Akrobatik. Ich bin der Auffassung, dass man Musik „vertanzen“ muss. Dies muss sich in der Choreografie wiederzufinden. Selbstverständlich kann man auch Hebungen, Pyramiden und Würfe einbinden, aber all dies muss in die Musik passen. Artisten trainieren täglich, meine Tänzer trainieren dreimal in der Woche, was neben dem Beruf auch schon sehr viel ist. Akrobatik im Karneval muss getanzt werden und ist nicht Selbstzweck. Es ist auch für den Zuschauer im Karneval schön, einen zur Musik passenden Tanz zu sehen. Natürlich kann man in solch einen Tanz auch Hebefiguren einbauen, aber man muss den Tanz als “Rausch“ erleben.
Die Entwicklung des Tanzes, auch im Kölner Karneval, finde ich nicht so gut. Die derzeitige Entwicklung ist für mich ganz schlimm. Ich verstehe auch nicht, dass das Publikum Würfe von Tänzerinnen erwartet, man sieht doch, welche Gefahr für die Tänzer besteht, sich bei einem solchen Flug zu verletzen.
Wichtig ist für mich, das Risiko für die Tänzerinnen zu minimieren. Auf Sicherheit legen wir großen Wert, die Männer sind konzentriert bei der Sache und stehen bereit, das Mädchen aufzufangen. Das gilt für Pyramiden oder für "Händesteher", immer stehen welche daneben und passen auf. Das Tanzprogramm der Gruppen wird ja auch an die jeweiligen Bühnen angepasst. Wenn es erforderlich ist, wird die Gruppe vor Ort verkleinert, oder Hebefiguren werden reduziert. Man tritt dann eben nicht in voller Stärke auf."

Kommen wir zum Mariechentanz, dem Paartanz. Gibt es hier auch Veränderungen im Laufe der Jahre und Jahrzehnte?

Fahnenschreiber: "Man muss mit der Zeit gehen, da bleibt uns nichts anderes übrig. Es gibt auch im Mariechentanz den "Händesteher" und den Salto-Wurf. Die Geschichte um das Mariechen, die Marketenderin, die sich ihren Liebhaber aussucht und mit ihm, dem Tanzoffizier, tanzt, ist wie viele andere Dinge des traditionellen Karnevals mit der Zeit verloren gegangen. Die Sitzungen haben sich natürlich auch verändert. Man steht auf, animiert von den Musikgruppen, die "Arme in die Höhe". Die jungen Leute möchten dies heute so und machen auf diese Art auch mit."

Schnitzler: "Wissen Sie wie nach dem Krieg, als es mit dem Karneval wieder los ging, der Auftritt von dem Funken-Mariechen ging? Da kam das Mariechen auf die Bühne und sang `Ich bin dat Mariechen von der Funken-Infanterie, im Bützen ein Genie, im Bützen ein Genie!" Das ist heute aber ganz anders."

Was ist eigentlich mit den Redebeiträgen im Karneval?

Fahnenschreiber: „Das ist auch etwas, was sich stark verändert hat. Man redet mit dem Nachbarn oder geht ans Telefon, während der Vortragende auf der Bühne steht, verlässt den Saal, denn draußen gibt es an der Theke Kölsch, all das macht es dem klassischen Büttenredner natürlich schwer. Dann wird die Pointe verpasst und dann heißt es, "Däe wor ever nix!"

Frau Fahnenschreiber, Herr Schnitzler, Sie sind beide noch im Karneval aktiv!

Peter Schnitzler und Biggy Fahnenschreiber: "Ja, selbstverständlich! Wir lieben diese Arbeit!" 
Vielen Dank für das Gespräch!