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Biggi
Fahnenschreiber
ist ein echtes "Kölsches Mädchen". Darauf ist sie stolz und legt
Wert darauf, im Severinsklösterchen das Licht der Welt erblickt zu
haben und zur ersten Heiligen Kommunion in St. Aposteln gegangen zu
sein. 1939
startete sie bei den Bühnen der Stadt Köln im Kinderballett ihre
tänzerische Karriere. Nach dem Krieg legte sie in Düsseldorf vor dem
dortigen Ausschuss ihre Prüfung ab. Ihr Schwerpunkt war das
klassische Ballett.Zunächst führte sie ihr beruflicher Weg über Köln
nach Freiburg, wo Biggi Fahnenschreiber als erste Solotänzerin
tanzte. Mit Peter Schnitzler, dem damaligen Aachener Ballettmeister,
arbeitete sie intensiv als erste Solotänzerin, auch als
Solotanzpaar, am Stadttheater Aachen.
Peter
Schnitzler
ist am
Rosenmontag 1927 in Erp (bei Köln) geboren. Zunächst war er
Solotänzer in Köln, kam dann als Ballettmeister nach Aachen, wo er
mit Biggi Fahnenschreiber das Theaterpublikum als Solotanzpaar
begeisterte. Von Jaques Königstein entdeckt, war Peter Schnitzler
auch im Aachener Karneval eine bekannte Größe. Er gilt als der
Erfinder der Hebefiguren beim Mariechentanz. Heute wohnt er mit
seiner Frau Hilde in Köln, arbeitet immer noch mit Tänzern im
Karneval und ist, wie Biggi Fahnenschreiber, der Kölner
Karnevalsszene verbunden.
karnevalinaachen.de
fragte:
In Aachen hatten Sie gemeinsam große Erfolge. Wie fanden Sie
zusammen? Und wie kam es zu dieser, ein ganzes Leben begleitenden
Zusammenarbeit?
Fahnenschreiber: "Von
1947 bis 1950 war ich Tanzelevin an der Kölner Oper und wurde bei
der Ballettschule Anita Bell ausgebildet. Seit 1945 kannte ich Peter
Schnitzler. Es war von Anfang an ein besonderes Erlebnis, mit ihm zu
tanzen. Es stimmte einfach alles, wir brauchten uns nur anzusehen
und schon klappte jeder Tanz. Allerdings haben wir uns immer an der
gleichen Stelle vertan. Es war nicht so, dass sich der Eine oder
Andere mal vertan hatte, uns passierte an der gleichen Stelle immer
gemeinsam der gleiche Fehler. Es war eine wunderbare Zeit und wir
haben viel neben dem Theater getingelt, wobei wir Gelegenheit
hatten, eigene Choreografien, inspiriert von Hilde Schnitzler,
auszuprobieren. Unsere Tänze hatten immer einen roten Faden, einen
Inhalt, so wie ein kleines Schauspiel. Dies hat uns beiden sehr
gefallen. Der damalige Ballettmeister ging nach Freiburg und fragte
mich ein Jahr später, ob ich zu ihm nach Freiburg als erste
Solotänzerin kommen möchte. Das war natürlich das, was man sich als
Tänzerin wünscht. Es war aber auch ein wenig traurig, weil ich
meinen bisherigen Tanzpartner verlor."
Schnitzler: "Der
damalige Aachener Generalintendant Paul Mundorf bot mir 1959 einen
Vertrag als Ballettmeister in Aachen an. Ich habe Brigitte gesagt
"Du gehörst zurück ins Rheinland!" Sie kam dann auch nach Aachen und
wurde erste Solotänzerin. Auf diese Weise fanden wir wieder zusammen
und sie blieb drei Jahre.
Fahnenschreiber:
"Ich heiratete und bekam einen Sohn, der heute Jurist und Direktor
am Staatstheater in Kassel ist. Als mein Sohn 6 Jahre alt war, habe
ich mit Kinderballett angefangen und Karnevalstänze choreographiert,
was zur damaligen Zeit als Frau in Köln nicht so einfach war. Ich
habe zunächst im Umfeld von Köln, Bonn, Pulheim, bis hin nach
Euskirchen gearbeitet. In Leverkusen hatte ich eine Tanzgruppe und
kam mit dieser nach Köln. Hier hatte ich das Glück, Ballettmeisterin
zu werden. Im Karneval betreute ich Anfang der siebziger Jahre sehr
viele Tanzgruppen. „Die Luftflotte“ trainiere ich zum Beispiel jetzt
im 38. Jahr.“
Schnitzler:
„Das ist schon was, wenn man nicht ein oder zwei Jahre gut ist,
sondern über Jahre und Jahrzehnte durchhält. Ich habe 50 Jahre
(1958-2007) die Choreografie für „Cäcila Wolkenburg“ im Opernhaus
gemacht. Mir sagte mal Jemand "Hier in Köln hast Du ja auch Deine
Pfründe!" Ich habe ihm gesagt: „Wenn Du keine Ideen mehr hast
und nicht ständig kreativ bist, ist sehr bald Schluss, da helfen
auch keine Pfründe!“
Wie hat sich
denn der Tanz im Karneval entwickelt?
Fahnenschreiber: „Im Karneval hat sich in all den Jahren sehr
viel getan. Es ist kein karnevalistisches Tanzen mehr, heute
präsentiert man überwiegend Akrobatik. Ich bin der Auffassung, dass
man Musik „vertanzen“ muss. Dies muss sich in der Choreografie
wiederzufinden. Selbstverständlich kann man auch Hebungen, Pyramiden
und Würfe einbinden, aber all dies muss in die Musik passen.
Artisten trainieren täglich, meine Tänzer trainieren dreimal in der
Woche, was neben dem Beruf auch schon sehr viel ist. Akrobatik im
Karneval muss getanzt werden und ist nicht Selbstzweck. Es ist auch
für den Zuschauer im Karneval schön, einen zur Musik passenden Tanz
zu sehen. Natürlich kann man in solch einen Tanz auch Hebefiguren
einbauen, aber man muss den Tanz als “Rausch“ erleben.
Die Entwicklung des Tanzes, auch im Kölner Karneval, finde ich nicht
so gut. Die derzeitige Entwicklung ist für mich ganz schlimm. Ich
verstehe auch nicht, dass das Publikum Würfe von Tänzerinnen
erwartet, man sieht doch, welche Gefahr für die Tänzer besteht, sich
bei einem solchen Flug zu verletzen.
Wichtig ist für mich, das Risiko für die Tänzerinnen zu minimieren.
Auf Sicherheit legen wir großen Wert, die Männer sind konzentriert
bei der Sache und stehen bereit, das Mädchen aufzufangen. Das gilt
für Pyramiden oder für "Händesteher", immer stehen welche daneben
und passen auf. Das Tanzprogramm der Gruppen wird ja auch an die
jeweiligen Bühnen angepasst. Wenn es erforderlich ist, wird die
Gruppe vor Ort verkleinert, oder Hebefiguren werden reduziert. Man
tritt dann eben nicht in voller Stärke auf."
Kommen wir zum
Mariechentanz, dem Paartanz. Gibt es hier auch Veränderungen im
Laufe der Jahre und Jahrzehnte?
Fahnenschreiber:
"Man muss mit
der Zeit gehen, da bleibt uns nichts anderes übrig. Es gibt auch im
Mariechentanz den "Händesteher" und den Salto-Wurf.
Die Geschichte um das Mariechen, die Marketenderin, die sich
ihren Liebhaber aussucht und mit ihm, dem Tanzoffizier, tanzt, ist
wie viele andere Dinge des traditionellen Karnevals mit der Zeit
verloren gegangen. Die Sitzungen haben sich natürlich auch
verändert. Man steht auf, animiert von den Musikgruppen, die "Arme
in die Höhe". Die jungen Leute möchten dies heute so und machen auf
diese Art auch mit."
Schnitzler: "Wissen Sie wie nach dem Krieg, als es mit dem
Karneval wieder los ging, der Auftritt von dem Funken-Mariechen
ging? Da kam das Mariechen auf die Bühne und sang `Ich bin dat
Mariechen von der Funken-Infanterie, im Bützen ein Genie, im Bützen
ein Genie!" Das ist heute aber ganz anders."
Was ist
eigentlich mit den Redebeiträgen im Karneval?
Fahnenschreiber:
„Das ist auch etwas, was sich stark verändert hat. Man redet mit dem
Nachbarn oder geht ans Telefon, während der Vortragende auf der
Bühne steht, verlässt den Saal, denn draußen gibt es an der Theke
Kölsch, all das macht es dem klassischen Büttenredner natürlich
schwer. Dann wird die Pointe verpasst und dann heißt es, "Däe wor
ever nix!"
Frau
Fahnenschreiber, Herr Schnitzler, Sie sind beide noch im Karneval
aktiv!
Peter
Schnitzler
und Biggy Fahnenschreiber: "Ja, selbstverständlich! Wir
lieben diese Arbeit!"
Vielen Dank für das Gespräch! |