Wir fragten Bischof Mussinghoff:
Bischof
Mussinghoff, Sie sind geboren in Osterwick / Westfalen , studierten
in Münster und Freiburg, waren Leiter des
kirchlichen Gerichts in Münster, Stationen bei denen der Rheinländer
eher Ernst als Ausgelassenheit vermutet.
Das
ist so, ich war immer am Studium sehr interessiert und der
Westfale hat eben nicht die leichte Art viel zu feiern. Von daher
ist der Weg auch bestimmt gewesen.
Muss sich denn
das kirchliche Gericht auch mit Karneval befassen?
Nach der
Karnevalszeit gibt es immer wieder Anträge auf Eheannullierungen. Es
gibt so geprägte Zeiten, nach Weihnachten, nach Karneval und nach
den Sommerferien kommen solche Anträge häufiger.
Mit Karneval bezeichnet man die Zeit der Ausgelassenheit, der
Fröhlichkeit und der überschäumenden Lebensfreude. Nicht in allen
Regionen unseres Landes wird der Karneval so ausgelassen gefeiert
wie im Rheinland.
Liegt es am Einfluss der Kirche oder ist der Rheinländer an sich
respektloser?
Respektloser
würde ich nicht sagen. Er ist fröhlicher, er ist leichter beim Wort
und er ist schneller enthusiastisch als beispielsweise der Westfale.
Die Mentalität und die Lebensweise sind schon unterschiedlich.
Der
Rheinländer hat weniger Probleme damit seinem Nachbarn die Hand zu
geben?
Beim
Westfalen geht das auch, aber da isst man zuerst einen Sack Salz
zusammen und dann geht das auch gut und ist dauerhaft.
In überwiegend
protestantischen Gegenden hatte es der Karneval schwerer als in den
katholischen Bistümern. In einem Kölner Karnevalslied heisst es:
„Un d´r Herrjott hät sing Freud“. Ist der Karneval eine
katholische Erfindung?
Eine Erfindung
weiß ich nicht, aber Karneval und Katholizität gehört zusammen.
Als ich in dieses Bistum kam hat man mir gesagt:" Drei Dinge müssen
Sie besuchen: Sie müssen die Fronleichnamsprozession in Krefeld, die
Annakirmes in Düren und den Aachener Karneval besuchen, dann wissen
Sie Bescheid." Karneval ist eine wichtige Zeit.
Der Begriff
„Karneval“ gedeutet als „carne valis“ (lat.: „Fleisch lebe wohl“)
gibt einen Sinn wenn man an die sich anschließende christliche
Fastenzeit denkt. Dient Karneval als Ventil, zum „Dampf ablassen“
weil man ja mit dem Aschenkreuz am Aschermittwoch und der sich
anschließenden Fastenzeit wieder alles ins Lot bringen kann?
Ich denke schon,
dass das damit zusammenhängt, dass man vor der langen Zeit des
Fastens, wo auch früher streng gefastet wurde und kein Fleisch
gegessen wurde, noch einmal feiert und fröhlich ist und dann aber
auch die Fastenzeit ganz ernst nimmt.
Freude und
Leid als zwei Bilder einer Medaille. Ist das „Fröhlichsein“ typisch
für Christen und erinnert uns die Fastenzeit und die Vorbereitung
auf Ostern um so mehr an die Vergänglichkeit? Ist Karneval damit
auch Teil von Besinnung?
Ich denke schon,
dass das ja geprägte Zeiten sind, wo einmal in der Fastenzeit der
Ernst der Buße und des Lebens überhaupt wahrgenommen wird und wo
auch die Frage nach Reinigung, Buße - Beichte, aufkommt und es dem
gegenüber die Zeit der Freude und Fröhlichkeit gibt, die Freude um
Ostern, die eine ernsthaftere Freude ist, aber auch die
überschäumende Lebensfreude, die es im Karneval gibt, und die noch
einmal den Gegensatz von Freude und Leid im Leben deutlich macht.
„Kirche und
Karneval“
- ein Widerspruch?
Nein, ich denke
das gehört eng zusammen. Karneval und Fastenzeit entsprechen sich
und das macht auch das Salz in der Suppe des Christentums aus, dass
diese Dinge gelebt und gefeiert werden und eben, jedenfalls, was den
katholischen Bereich angeht, auch sehr tief in das Volkstum
eingehen.
Teil des
Karnevals ist auch der Spott und die gezielte Respektlosigkeit
gegenüber der Obrigkeit. Der Kölner Erzbischof, Kardinal Meissner,
dient hier sehr oft als Amtsträger, den der Spott der Karnevalisten
trifft. Welche Grenzen würden Sie diesem Spott setzen wollen?
Karnevalistische
Freude und Spott dürfen so weit gehen, dass es nicht verletzt, dass
es die Gefühle auch von "Obrigkeit", auch des Kardinals nicht
verletzt.
Dass Spott sein
darf und auch sein muss weil es auch karikierend deutlich macht wie
man einen Menschen in seinem "obrigkeitlichen" wirken auf die
Menschen sieht und wie es sich auswirkt, dass soll man schon tun.
Ich glaube, dass alle, die Verantwortung haben und Verantwortung
tragen, es brauchen, dass ihnen der Spiegel vorgehalten wird. Das
ist im Karneval auf eine angenehme Weise möglich, während man sonst
in der harten Auseinandersetzung die Dinge schwerer anbringen kann.
Ich würde es mir jedenfalls eine Lehre sein lassen wenn mir der
Spiegel auf diese Weise vorgehalten wird und man mir sagt schau doch
mal nach wie deine Wirkung ist.
Im Internet
las ich den Satz „Dä Erzbischof kann saare, wat he will, mer blieve
katholisch!“
Kann man als Bischof darüber lachen?
Doch,
darüber kann ich schon lachen weil es eigentlich noch einmal
deutlich macht, die Leute leben eine bestimmte Art des Christentums.
Die muss nicht überall gleich sein, die muss auch nicht allen
gefallen, aber was sich in Köln um den Dom herum tut, das ist schon
etwas anderes als das, was in Düsseldorf oder in Aachen läuft. Das
gehört zu den Menschen dazu und macht ihre Art aus und zeigt auch
irgendwo eine Überlebensstrategie.
Nicht alles was die "Obrigkeit" sagt oder will, ist auch das was uns
bewegt, sondern dann müssen sie erst mal kommen.
Nicht erst
durch den Karikaturenstreit steht die Frage im Raum ob Kirche oder
allgemein gesagt Religion vom Spott im Karneval ausgenommen sein
soll.
Nicht
vom Spott ausgenommen aber es gibt Grenzen. Was da mit den
Karikaturen war geht einfach für muslimische Menschen zu tief an die
Substanz des Glaubens und da sollte man den entsprechenden Respekt
haben. Ich kann den eigenen Pastor an Karneval gut durch den Kakao
ziehen, ob ich aber den Papst in gleicher Weise durch den Kakao
ziehe überlege ich mir aber. Da haben die Katholiken ein gutes
Gespür wie weit man gehen kann.
In Aachen ist
vieles anders. Hier hat der Aachener Karnevalsverein den „Orden
wider den tierischen Ernst“ bereits an vier kirchliche Würdenträger
verliehen. (Rochus Spieker 1962, Werner Ketzer 1981, Bernard
Henrichs und Kardinal Lehmann.) Feiert der Bischof von Aachen auch
Karneval?
Ja, ich fliehe
und gönne mir ein paar ruhige Tage. Als Karl Lehmann den Orden Wider
den Tierischen Ernst bekam war ich anwesend und ich muss sagen es
war eine schöne fröhliche Sitzung die mir sehr gut gefallen hat.
Karnevalssitzungen in eigener Regie und mit viel ehrenamtlichem
Engagement finden in zahlreichen Pfarreien statt. Begrüßen Sie diese
Aktivitäten?
Ich denke schon
dass dass eine ganz wichtige Geschichte in den Pfarren ist wo das
eigene Pfarrleben kritisch aber auf eine fröhliche Weise betrachtet
wird. Man sieht auch wie die Pfarrsitzungen angenommen werden und
man tagelang Vorbereitungen trifft und sich auch bemüht die Karten
zu bekommen. Der große Karneval ist ja auch aus solchen selbst
organisierten Veranstaltungen geboren und dort ist auch der
Nährboden für die Zukunft des Karnevals.
Kann man
Karneval auch in traurigen Zeiten feiern und lässt sich der
karnevalistische Frohsinn in den Alltag übertragen?
Ich weiß nicht ob
das für jede Situation gilt, aber wenn ich an das Kriegsende hier
denke, glaube ich dass es sehr schnell nach solch katastrophalen
Ereignissen wieder kommt und man das Leid wieder abschütteln und
wieder einmal fröhlich sein kann. Der Karneval ist dann ein gutes
Ventil um Leid und Schwierigkeiten wenigstens für ein paar Stunden
zu vergessen. Das ist wie seelische Medizin.
Was würden Sie
im Karneval ändern?
Ich würde gerne
den übermäßigen Alkoholkonsum, besonders von Jugendlichen,
eingeschränkt sehen. Da würde ich mir schon eine ordnende Hand
wünschen, die etwas zügelt bzw. mäßigt. Das finde ich furchtbar wenn
sich junge Menschen betrinken, das hat mit Fröhlichkeit nichts mehr
zu tun.
Herr Dompropst
Hammans, so ganz ungeschoren sollten Sie aus dem Interview nicht
davon kommen. Sie werden etwas häufiger gemeinsam mit ihrem
Vorgänger, Dompropst Müllejans, bei karnevalistischen
Veranstaltungen gesehen. Es macht nicht den Eindruck als seien Sie
unfreiwillig dort. Macht es Ihnen Spaß bei karnevalistischen
Veranstaltungen zu sein?
Zunächst werde
ich eingeladen und gehe auch dorthin, weil es sich gehört und der
Dompropst zu vielen öffentlichen Veranstaltungen eingeladen wird.
Früher war das nicht so. Da konnte ich nur zur Pfarrsitzung der
Pfarre St. Johann gehen und im Vinzensheim mitfeiern. Jetzt werde
ich häufiger eingeladen und ich gehe auch hin und habe Spaß daran.
Herr Hammans,
einige Prinzen starteten in die jeweilige Session nach einem Besuch
eines Gottesdienstes im Dom. Im vorigen Jahr fand in St. Foilan eine
Messe in "Öcher Platt" statt.
Diese Praxis
finde ich sehr gut. In der kommenden Session wird im Januar eine
Fahne gesegnet. Ich finde es gut dass man im Rahmen eines
Wortgottesdienstes oder einer Messe für das, was man tun will Gottes
Segen erbittet. Seit einigen Jahren ist am Aschermittwoch zur
Eröffnung der Fastenzeit eine Messe, in der die Predigt und einige
Texte in "Öcher Platt" gehalten sind. Die Messe findet um 18:30 Uhr
statt.
Wir trafen Bischof Mussinghoff und
Dompropst Hammans im Traditionshaus "Alt Aachener Kaffeestuben".
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